Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hornblower 08 - Der Kommodore

Hornblower 08 - Der Kommodore

Titel: Hornblower 08 - Der Kommodore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
Vom Netzwerk:
dort konnte man wirklich sagen, daß er den Kopf schon in der Schlinge hatte. Kämpfte er denn nicht gegen sein eigenes Land? Hornblower erinnerte sich an den Wink Wellesleys, daß sein Geschwader vielleicht dazu bestimmt war, dem russischen Hof Zuflucht zu bieten. Er malte sich aus, wie sich dann auf seinen Schiffen jene unglücklichen Menschen drängen würden, die aus diesem Lande flüchten mußten, dem letzten von ganz Europa, das Bonaparte jetzt noch die Stirn bot.
    Dunst und Rauch wurden allmählich dünner, stellenweise war das Schlachtfeld bereits zu erkennen. Hornblower und Essen wandten sich wieder der Gegenwart und ihren Aufgaben zu und fühlten erleichtert, wie sie das von ihren düsteren Zukunftsbetrachtungen ablenkte. »Ha!« rief Essen auf einmal und zeigte ins Gelände hinaus. Die Laufgräben waren jetzt zum Teil schon deutlich zu erkennen. Hier und dort zeigten sich in ihren Brustwehren breite Lücken. »Kladow hat seine Befehle gut ausgeführt«, sagte Clausewitz. Bis diese Lücken, eine nach der anderen, angefangen vom ersten Parallelgraben, wieder ausgefüllt waren, konnte niemand den Kopf der Sappe erreichen. Jedenfalls war es für stärkere Verbände unmöglich, die Gräben zum Vorgehen zu benutzen. Zwei Tage Zeitgewinn brachte dieses Unternehmen auf jeden Fall ein, stellte Hornblower fest, während er das Ausmaß der angerichteten Zerstörungen abzuschätzen suchte - er hatte jetzt schon so viel Erfahrung, daß er sich den weiteren Verlauf solcher Belagerungsoperationen ganz gut vorstellen konnte. Das schwere Feuer hatte immer noch nicht aufgehört, es rührte daher, daß die Nachhut den Rückzug der Angriffstruppen in ihre befestigten Stellungen zu decken suchte. Essen legte sein riesiges Fernrohr auf die Schulter seines Adjutanten und stellte es auf diese Bewegungen ein. Hornblower blickte gleichzeitig durch sein eigenes Glas. Er sah die großen Schuten des Landungskorps verlassen am Strand liegen und konnte weit draußen in sicherer Entfernung die Boote unterscheiden, die deren seemännische Besatzungen an Bord der Schiffe zurückbrachten. Essen legte ihm die Hand auf die Schulter und zog ihn zu sich herum. »Sehen Sie dort, Kommodore!«
    Hornblower konnte durch sein Glas sofort erkennen, was Essen ihm zeigen wollte. Einzelne versprengte feindliche Soldaten trieben sich auf dem Rückweg zu ihren Aufnahmestellungen immer noch im Niemandsland herum und - Hornblower beobachtete es mit eigenen Augen - stachen mit dem Bajonett auf die russischen Verwundeten ein, die sie unterwegs liegen sahen. Im Grunde war es wohl nicht einmal zu verwundern, daß diese lange und blutige Belagerung die Menschen so rachsüchtig und roh machte, wie sie es hier beobachten konnten. Das galt vor allem für die Soldaten Bonapartes, die nun schon seit Jahren, viele seit ihrem Knabenalter, durch alle europäischen Länder zogen und von dem lebten, was ihnen das Land zu bieten hatte, für die es nur ein Recht gab, das der Muskete und des Bajonetts. Essen war ganz weiß vor Wut, und Hornblower gab sich Mühe, seine Entrüstung zu teilen, doch wollte es ihm nicht recht gelingen.
    Diese Grausamkeiten kamen ihm nicht überraschend. Konnte man denn von diesen Leuten etwas anderes erwarten? Er selbst sah es zwar auch in Zukunft als seine Aufgabe an, die Soldaten und Seeleute Bonapartes im Kampf zu töten, aber er wollte sich dabei auf keinen Fall vormachen, er handelte ›gerecht‹ , wenn er auch nur einen Mann deshalb tötete, weil irgendein anderer Landsmann von ihm an einem seiner Bundesgenossen zum Mörder geworden war.
    In den Ruinen des Dorfes wurden diejenigen Verwundeten versorgt, denen es gelungen war, sich zurückzuschleppen.
    Hornblower sah sich das mit an, als er auf dem Rückweg wieder durch die Gräben wanderte, und sagte sich schaudernd, daß wahrscheinlich diejenigen noch das bessere Los gezogen hatten, die im Niemandsland mit einem Bajonett den Gnadenstoß erhielten. Dann bahnte er sich seinen Weg weiter durch eine Menge rauchgeschwärzter, zerlumpter russischer Soldaten. Sie standen in Gruppen zusammen und unterhielten sich in jener lauten, hemmungslosen Art, die unmittelbar nach einem schwer errungenen Sieg bei den meisten Männern zu beobachten ist.

22. Kapitel
    Unter den Bergen von Post, die endlich aus England eingetroffen war, befanden sich große Pakete mit gedruckten Flugblättern in französischer, deutscher, zu einem kleinen Teil sogar in holländischer und dänischer Sprache. Es handelte sich um

Weitere Kostenlose Bücher