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Hornblower 08 - Der Kommodore

Hornblower 08 - Der Kommodore

Titel: Hornblower 08 - Der Kommodore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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nicht mehr widerstehen und ließ sich auf das krachende Stroh zurücksinken. Noch einmal stützte er sich auf den Ellbogen, um sich ein kleines Extrabündel als Kopfkissen unterzuschieben.
    »Ich werde ein bißchen ruhen«, sagte er, dann schloß er die Augen. Hinter diesem Schlafbedürfnis stak in Wirklichkeit etwas mehr als bloße Müdigkeit. Wenn er schlief, dann war er weit weg von hier, von dieser Belagerung mit ihrem Gestank, ihrer Gefahr und ihren bitteren Erlebnissen, dann war er frei von aller Verantwortung, dann quälte ihn niemand mehr mit diesen ewigen Meldungen über Bonaparte und seinen unaufhaltsamen Vormarsch mitten ins Herz von Rußland, dann brauchte er sich nicht mit der qualvollen Erkenntnis herumzuschlagen, daß er einen verzweifelten, gänzlich hoffnungslosen Kampf kämpfte, weil der Feind so ungeheuer mächtig und überlegen war, daß er am Ende siegen mußte. Wenn er nur Schlaf fand, dann schwiegen alle bösen Geister, dann vergaß er alle Sorge und alles Leid. Heute nacht sehnte er sich so nach Schlaf, wie ein Mann sich sehnt, in die Arme seiner Geliebten zu sinken.
    Seltsamerweise waren seine Nerven trotz der Aufregungen der letzten Wochen, vielleicht, nach dem Gesetz seiner widerspruchsvollen Natur, sogar wegen ihrer, ganz ruhig. Nun machte er es sich also auf seinem Strohlager bequem und schlief. Wilde Träume überfielen ihn, aber er war sich doch irgendwie im klaren, daß diese Geister nicht halb so schlimm sein konnten wie die Gedanken, mit denen er sich in seinen wachen Stunden abquälen mußte.
    Er wachte davon auf, daß Clausewitz ihn an der Schulter anstieß. Wie ein Zusammensetzspiel mußte er die Teile seines bewußten Ich ineinanderfügen, bis wieder der Hornblower aus ihm wurde, der hier den Russen Riga verteidigen half.
    »In einer Stunde beginnt die Dämmerung«, sagte Clausewitz, der sich wie ein schwarzer Schatten gegen den dunklen Himmel abhob. Hornblower setzte sich auf, er war unter der dünnen Decke seines Mantels vor Kälte ganz steif geworden. Wenn alles gut gegangen war, dann lief die Landungsabteilung jetzt drüben in die Bucht ein. Er starrte über die Brüstung der Galerie, aber es war viel zu dunkel, um irgend etwas unterscheiden zu können. Da tauchte noch ein Schatten neben ihm auf und gab ihm etwas Heißes in die Hand - ein Glas Tee. Dankbar trank er in kleinen Schlucken und fühlte, wie ihn die Wärme angenehm durchrieselte. Irgendwo hörte man den schwachen Knall eines Gewehrschusses, Clausewitz wollte eben etwas zu ihm sagen, da begann plötzlich in dem Niemandsland zwischen den beiden Gräben ein wildes Feuergefecht und schnitt ihm das Wort ab...
    Überall zuckten die spitzen Mündungsflammen der Gewehre in das nächtliche Dunkel. »Wahrscheinlich Patrouillen, die die Nerven verloren haben«, sagte Clausewitz. Aber die Schießerei wollte und wollte nicht aufhören. Im Gegenteil, sie wurde immer heftiger. Das da unten sah aus wie eine große feurige Pfeilspitze, die gegen eine ungeordnete Masse aufblitzender Flammen zielte. Offenbar traf dort ein Angriffskeil auf eine Verteidigungslinie. Jedesmal, wenn eine ratternde Salve fiel, flammten die Blitze auf, dann hüllte sich alles wieder in Dunkel.
    Bald tauchten hier und dort die großen, dunkelroten Mündungsflammen der Geschütze auf, und kurz darauf sah man auch noch die Flammen anderer Feuer, da sowohl die Angreifer als auch die Verteidiger Feuerbrände - Brandgranaten - vor ihre Linien schossen, um den Gegner zu beleuchten. In diesem Augenblick zog unten von der Bucht aus ein feuriger Ball seine goldene Bahn bis hoch in den Himmel und zerbarst, am Scheitelpunkt angelangt, in eine Menge purpurner Sterne.
    »Gott sei Dank!« wollte Hornblower sagen, aber er behielt die Worte bei sich.
    Das Landungskorps war schon etwas vorzeitig in seiner Ausgangsstellung angelangt, und irgendwer, Engländer oder Russe, hatte den einzig vernünftigen Entschluß gefaßt, sofort mit dem Flankenangriff zu beginnen, als er an Land das heftige Feuergefecht beobachtete. Clausewitz wandte sich um und stieß einen Befehl hervor, ein Adjutant eilte sofort die Treppe hinunter, um ihn weiterzugeben. Fast im gleichen Augenblick kam ein Melder von unten heraufgestürmt und sprudelte so aufgeregt auf russisch los, daß Clausewitz, der die Sprache nur unvollkommen beherrschte, nicht alles verstand und ihn veranlassen mußte, seine Sätze langsamer zu wiederholen. Als er die Meldung schließlich verstanden hatte, wandte er sich an

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