Hornblower 08 - Der Kommodore
verdolmetschen, die sie alle zu stellen hatten. Ein halbes Dutzend russischer Leutnants kauerte auf dem Boden der Galerie. Sie hatten alle Brettchen mit aufgeheftetem Papier auf den Knien und schrieben die Befehle nieder, die Clausewitz ihnen diktierte. Mitten in all dem geschäftigen Durcheinander erschien auch noch Essen. Er hatte sofort seine mündliche Zustimmung zu dem geplanten Angriff gegeben. Als er bei seiner Ankunft sah, daß die Vorbereitungen schon so weit gediehen waren, überließ er als vernünftiger Mann auch die weitere Ausarbeitung der Einzelheiten denen, die das Ganze entworfen hatten. All das vollzog sich unter dem unaufhörlichen Donner der Beschießung, der die ohrenbetäubende Begleitmusik zu jedem Gespräch abgab. Die russischen Wälle aber sackten inzwischen unter dem Hagel der Geschosse immer mehr in sich zusammen, und die Sappen krochen unaufhaltsam immer näher.
Kurz vor zwölf hatte Hornblower Clausewitz seinen Vorschlag gemacht, um acht Uhr abends, als die Sonne unterging, waren die Vorbereitungen beendet. Hornblower hatte sich zur Mündung der Düna rudern lassen, um die bereitgestellten Fahrzeuge zu besichtigen und der Einschiffung der russischen Grenadiere beizuwohnen.
»Haben Sie Ihre Befehle verstanden, Duncan?« fragte Hornblower. »Jawohl, Sir.«
»Wie spät haben Sie es? Stellen Sie jetzt Ihre Uhr nach der meinigen.«
»Aye, aye, Sir.«
»Mr. Montgomery, Mr. Purvis, denken Sie an das, was ich Ihnen über den Zusammenhalt des Landungskorps gesagt habe.
Sie müssen alle zu gleicher Zeit losschlagen - auf keinen Fall dürfen Sie in kleinen Gruppen landen. Stellen Sie auch sicher, daß die Soldaten genau wissen, in welcher Richtung sie vorzugehen haben.«
»Aye, aye, Sir.«
»Und nun, alles Gute!«
»Besten Dank, Sir.«
Als Hornblower wieder die kleine Landungsbrücke bei Dünamünde betrat, war es stockfinster, und außerdem war zum erstenmal wieder ein kalter Hauch in der Luft zu spüren. So weit war also das Jahr vorgeschritten, seit sie zum ersten Male in der Bucht von Riga geankert hatten. Der Sommer war dahin, der Herbst stand vor der Tür. Er tappte sich den dunklen Graben entlang, der zur Kirche führte, seine müden Beine trugen ihn kaum noch die unzähligen stockdunklen Stufen zur Galerie empor. Seit heute morgen war er nicht zum Sitzen gekommen, hatte er noch keinen Bissen gegessen, deshalb schwindelte ihm jetzt der Kopf vor Hunger und Müdigkeit. Clausewitz war hier oben immer noch auf dem Posten, zu seinen Häupten den klaren Sternenhimmel, der so viel Licht gab, daß es Hornblower nach der pechschwarzen Finsternis der Treppe hier oben geradezu hell vorkam.
»Bei den Franzosen geht es heute nacht ungewöhnlich lebhaft zu«, sagte Clausewitz an Stelle einer Begrüßung. »Sie haben die Besatzungen ihrer Gräben in der Abenddämmerung abgelöst.«
Plötzlich wurden die französischen Linien durch orangerote Stichflammen erleuchtet, und dann drang der Donner einer Salve zu ihnen herüber. »Von Zeit zu Zeit bestreuen sie unseren Graben mit Kartätschen«, erklärte Clausewitz, »um die Ausbesserungsarbeiten zu behindern. Das ist eine alte Regel.
Aber nach einem halben Dutzend Salven beginnen sie, was Richtung und Entfernung betrifft, sehr ungenau zu schießen.«
Wenn die Belagerungskunst so an starre Regeln gefesselt war, daß sich jeder Schritt des Gegners berechnen und voraussehen ließ, dann konnte ein selbständig denkender Kopf, der überraschend eigene Wege ging, um so eher auf einen Erfolg rechnen. Nach den Regeln waren die Breschen und Sappen in zwei Tagen sturmreif - was hielt aber den Angreifer davon ab, den Sturm etwas vorzeitig anzusetzen, um dadurch den Verteidiger zu überraschen? Hornblower deutete Clausewitz diese Möglichkeit an.
»Das ist natürlich denkbar«, gab der mit der Überlegenheit des Fachmanns zur Antwort, »aber unsere eigenen Grabenbesatzungen sind heute wegen des morgen bevorstehenden Angriffs ohnehin besonders stark.« Hornblower suchte im Dunkeln herum und fand zuletzt eins von den Strohbündeln, die man auf die Galerie geschafft hatte, um dieses vorgeschobene Stabsquartier wenigstens mit einem dürftigen Ruhelager auszustatten. Da seine Beine tatsächlich vor Müdigkeit zitterten, nahm er aufatmend Platz und hüllte sich dichter in seinen Mantel, um gegen die nächtliche Kühle etwas mehr Schutz zu finden. Der Gedanke, die Augen schließen, schlafen zu können, hatte etwas unendlich Verlockendes.
Schließlich konnte er
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