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Hornblower 08 - Der Kommodore

Hornblower 08 - Der Kommodore

Titel: Hornblower 08 - Der Kommodore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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Aufrufe an die Truppen Bonapartes, seine Fahnen zu verlassen. Diese Aufrufe forderten aber nicht etwa zu Massendesertationen auf, sie wandten sich vielmehr an den einzelnen Soldaten und versicherten ihm, daß er einer guten Aufnahme sicher sein könne, wenn er überliefe. Vor allem aber traten sie den Anklagen entgegen, die Bonaparte in allen seinen Proklamationen wiederholte, daß nämlich England seine Kriegsgefangenen auf Hulks eingesperrt hielte, die schwimmende Höllen seien, und daß Deserteure durch schlechte Behandlung dazu gezwungen würden, in Englands Söldnerregimentern Dienst zu nehmen. Sie stellten dem Überläufer im Gegenteil ein angenehmes Dasein und persönliche Sicherheit in Aussicht, wenn sie nicht von der ehrenvollen Möglichkeit Gebrauch machen wollten, freiwillig in englische Dienste zu treten und sich persönlich an der Niederwerfung des Tyrannen zu beteiligen. Das französische Flugblatt war ohne Zweifel ausgezeichnet geschrieben, die anderen standen ihm wohl nicht nach. Vielleicht war Canning oder der andere Bursche - wie hieß er doch gleich? -, richtig, Hokham Frere, an ihrer Abfassung beteiligt.
    Das Begleitschreiben zu diesen Flugblättern verpflichtete ihn dazu, sie den Soldaten Bonapartes durch alle denkbaren Mittel in die Hände zu spielen. Dem Schreiben war als besonders interessante Anlage die Abschrift eines Briefes beigefügt, der von Bonaparte an Marmont gerichtet war und den man wahrscheinlich irgendwo in Spanien abgefangen hatte. Darin tobte der Kaiser gegen diesen neuen Beweis britischer Falschheit und Perfidie. Offenbar hatte er einige der ersten Flugblätter zu sehen bekommen und fühlte sich dadurch an einer empfindlichen Stelle getroffen. Nach der Ausdrucksweise, die er gebrauchte, machte ihn dieser Versuch, seine Untergebenen zur Untreue zu verführen, völlig rasend. Die wütenden Ausfälle, mit denen der Kaiser diese neue Art der Kriegführung beantwortete, legten die Vermutung nahe, daß sie ihre Wirkung nicht verfehlte. Da waren zum Beispiel die Preußen unter Macdonald.
    Diese Leute waren von zu Hause her gutes Essen und anständige Behandlung gewohnt, jetzt aber sahen sie sich auf magere Rationen gesetzt, weil das ganze Land ringsum durch Requisitionen schon völlig ausgesogen war. Die Aussicht auf Ruhe, Sicherheit und gute Kost mochte bei diesen Menschen Wunder wirken, besonders wenn man gleichzeitig den Versuch machte, ihr vaterländisches Gewissen wachzurufen. Beides zusammen konnte wirklich viele dazu bringen, daß sie mit dem Desertieren Ernst machten. Hornblower entwarf im Geist bereits ein dienstliches Schreiben an den Gouverneur. Er wollte ihm vorschlagen, ein paar Hausierer in das französische Lager zu schicken, die dort die Flugblätter verteilen sollten, während sie zum Schein den Soldaten ihre Waren feilhielten. Hier vor Riga, wo die Truppen Bonapartes nichts als Härten zu erdulden hatten, ohne daß sie wesentliche Erfolge sahen, wirkte ein solcher Aufruf wahrscheinlich ganz anders als bei Bonapartes siegreicher Hauptarmee in Moskau. Hornblower konnte den hochgestimmten russischen Bericht über den Brand von Moskau und den glühend begeisterten Aufruf Alexanders, daß er niemals Frieden schließen wolle, solange noch ein französischer Soldat auf russischem Boden stehe, nicht recht ernst nehmen. Nach seiner Meinung war das französische Soldatentum immer noch unerschüttert in seiner Haltung, war die Macht Bonapartes immer noch groß genug, um Rußland mit der Spitze des Bajonetts in der eigenen Hauptstadt zum Frieden zu zwingen, mochten die Zerstörungen in dieser Stadt noch so groß sein - mochten sie sogar das Ausmaß erreichen, das Moskau selbst gemeldet hatte. Es klopfte an der Tür.
    »Herein!« schrie Hornblower ungehalten. Er ärgerte sich über diese Störung, weil er vorgehabt hatte, den ganzen Tag zur Erledigung seiner rückständigen Schreibarbeiten zu verwenden.
    »Ein Brief von Land, Sir«, sagte der Fähnrich der Wache. Es handelte sich nur um eine kurze Mitteilung des Gouverneurs. Ihr wesentlicher Inhalt ließ sich in folgenden zwei Sätzen ausdrücken:›Haben Sie Zeit zu einem kurzen Besuch bei mir?
    Ich habe neue Gäste in der Stadt, die Sie bestimmt interessieren werden.‹
    Hornblower seufzte. Wenn es so weiterging, wurde sein Bericht für London nie fertig. Aber er durfte diese Einladung nicht ablehnen. »Lassen Sie das Chefboot klarmachen«, sagte er zu dem Fähnrich und machte sich gleich daran, seinen Schreibtisch

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