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Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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»Wollen Sie noch Briefe schreiben?«
    Nein, er wollte keine Briefe schreiben, über die seine Schergen dann herfielen wie die Geier über ein Aas. Und doch mußte er Wünsche äußern, mußte er etwas tun, damit ihn die anderen nicht für fassungslos verzweifelt hielten. Indem er das überlegte, wußte er auch bereits, was er wollte und wie dringend er dieses Bedürfnis empfand. »Ein Bad«, sagte er und fuhr sich dabei mit der Hand über das bärtige Gesicht, »rasieren und sauberes Zeug.«
    »Ein Bad?« wiederholte der Adjutant etwas erstaunt. Gleich bekam sein Gesicht einen mißtrauischen Zug. »Ich kann Ihnen doch kein Rasiermesser anvertrauen. Sie könnten allzu leicht versuchen, dem Erschießungskommando zuvorzukommen.«
    »Dann lassen Sie mich doch durch einen Ihrer Leute rasieren«, sagte Hornblower. Und um den anderen zu reizen, fügte er noch hinzu: »Sie können ja währenddessen meine Hände binden lassen, wenn es Ihnen sicherer scheint. Aber vor allem schicken Sie mir einen Eimer heißes Wasser, Seife und ein Handtuch. Und wenigstens ein reines Hemd.« Der Adjutant gab nach.
    »Gut«, sagte er, »ich will Ihren Wunsch erfüllen.«
    Jetzt wurde Hornblower unversehens von einem absonderlichen, närrischen Überschwang gepackt, der ihm mächtig zu Hilfe kam. Es machte ihm nichts mehr aus, sich unter den Augen von vier neugierigen Männern nackt auszuziehen, sich den Schmutz gründlich vom Körper zu waschen und sich zuletzt unter Mißachtung der Schmerzen in seiner Schulter mit dem Handtuch trocken zu reiben. Das Interesse der anderen galt wohl nicht so sehr dem sagenhaften, seltsamen Engländer als vielmehr dem Mann, der in wenigen Stunden sterben mußte. Der Mensch, der sich hier vor ihnen abseifte, sollte ja in allernächster Zeit jenes dunkle Tor durchschreiten, zu dem auch ihr Weg eines Tages führte, sein weißer Körper würde bald vom Blei der Musketenkugel zerrissen sein. Durch Gedankenübertragung spürte er diese krankhafte Neugier seiner Schergen und sah sie ihnen stolz und voll Verachtung nach. Er zog sich wieder an, auch dabei beobachteten sie jede seiner Bewegungen. Ein Soldat trat ein. Er hatte die Hände voll mit Rasierbecken, Messer und anderen Gerätschaften. »Der Regimentsbarbier«, sagte der Adjutant. »Er wird Sie rasieren.« Es war nicht mehr die Rede davon, ihm die Hände binden zu lassen. Während Hornblower so dasaß und das Messer ihm über die Kehle strich, dachte er daran, wie es wäre, wenn er jetzt mit den Händen plötzlich hochführe und nach dem Messer griffe. Da waren die Halsvene und die Kopfschlagader, ein einziger tiefer Schnitt in die Seite, und alle Qual war mit einem Schlag zu Ende. Überdies hatte er dann die Genugtuung, diesen hochnäsigen Adjutanten gründlich überlistet zu haben.
    Eine Sekunde lang konnte er der Versuchung kaum widerstehen, er malte sich aus, wie er auf seinem Stuhl zurücksank, wie das Blut aus seinem Hals spritzte und wie die Offiziere ratlos und entsetzt um ihn herumstanden. Fast genießerisch verweilte er sekundenlang bei diesem Bild, das ihm so deutlich vor Augen stand. Aber wenn er sich jetzt das Leben nahm, dann vermochte das zu Hause in England lange nicht so viel Grimm und Rachedurst zu wecken, als wenn die Franzosen bedachten Justizmord an ihm verübten. Er mußte es zulassen, daß Bonaparte ihn tötete, das war das letzte Opfer, das die Pflicht von ihm verlangte. Und dann Barbara - nein, er mochte nicht, daß er in ihren Gedanken als Selbstmörder weiterlebte. Der Barbier hielt ihm den Spiegel vor das Gesicht. Er kam damit gerade zur rechten Zeit, um dieser neuen Kette von Gedanken schnell ein Ende zu machen. Das Gesicht, das ihm aus dem Spiegel entgegensah, war das alte, vertraute. Es war nur tiefbraun gebrannt von der Sonne, die scharfen Linien um den Mund waren vielleicht ein bißchen deutlicher als früher, und sein Blick hatte etwas Rührendes, Flehendes, das ihm nie so stark aufgefallen war. Ach ja, die Stirn war wieder etwas höher, die Kopfhaut schimmerte deutlicher durch.
    Ein Kopfnicken zeigte dem Barbier seine Zufriedenheit. Als der Mann ihm das Handruch vom Hals genommen hatte, erhob er sich und tat sein möglichstes, um trotz aller Blasen an den Füßen fest auf den Beinen zu stehen. Dann musterte er seine Umgebung mit so überlegenen Blicken, daß sich die neugierigen Gaffer peinlich berührt fühlten. Der Adjutant zog, wahrscheinlich um damit seine Verlegenheit zu bemänteln, die Uhr. »In einer Stunde versammelt sich

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