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Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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Ausdruck der blauen Augen wurde milder, sie verrieten sogar etwas wie Bewunderung. Aber Hornblower wurde bei all seiner Feinfühligkeit und scharfen Beobachtungsgabe nichts davon gewahr. Für ihn verstand es sich einfach von selbst, daß er sich jetzt um Brown zu kümmern hatte. Daher kam es ihm überhaupt nicht in den Sinn, daß ihn jemand darob bewundern könnte. »Ich werde die Sache in Erwägung ziehen«, sagte Clausen. Dann wandte er sich an die Wachmannschaften: »Führen Sie die Gefangenen ab.« Der lebhafte Adjutant flüsterte ihm hastig etwas ins Ohr, er nickte darauf mit der gesetzten Würde des Elsässers.
    »Handeln Sie, wie Sie es für richtig halten«, sagte er schließlich, »aber denken Sie daran, daß Sie mir für alles verantwortlich sind.« Der Adjutant erhob sich und begleitete die Gefangenen durch die Halle, die Soldaten unterstützen Hornblower wieder beim Gehen. Als sie aus dem Tor waren, traf der Adjutant seine weiteren Anordnungen. »Bringen Sie diesen Mann« - dabei zeigte er auf Brown - »in das Wachlokal.
    Und diesen« - das war der Graf - »in die kleine Stube dort.
    Sergeant, Sie werden ihn bewachen. Und Sie, Herr Leutnant, sind mir persönlich für diesen Hornblower haftbar. Nehmen Sie zwei Mann mit, und lassen Sie ihn zu dritt nicht aus den Augen, nicht einen Augenblick, haben Sie mich verstanden? Unter dem Schloß ist ein altes Verlies, dorthin bringen Sie ihn und dort bleiben Sie bei ihm. Ich werde selbst von Zeit zu Zeit nach dem Rechten sehen. Dieser Mann ist vor vier Jahren der Kaiserlichen Gendarmerie entkommen und wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Er ist natürlich zu jeder Verzweiflungstat bereit, und Sie können ruhig annehmen, daß er ungewöhnlich gerissen handelt.«
    »Zu Befehl«, sagte der Leutnant.
    Eine Steinstiege führte hinunter in den Kerker, ein Überbleibsel aus der noch nicht allzu lange zurückliegenden Zeit, da der Grundherr noch hohe, mittlere und niedere Gerichtsbarkeit in seiner Person vereinigte. Als jetzt die Riegel rasselnd zurückgeschoben wurden und die Tür des Verlieses kreischend aufging, da merkte man aus vielen Anzeichen, wie lange es schon nicht mehr benutzt worden war. Die Luft war nicht etwa feucht, sie war im Gegenteil ganz dick von Staub.
    Durch das kleine, vergitterte Fenster dicht an der Decke fiel ein Strahl Sonne herein und gab gerade so viel Licht, daß man einigermaßen sehen konnte. Der Leutnant musterte die kahlen Wände, zwei mit eisernen Krampen am Boden befestigte Ketten bildeten die ganze Einrichtung.
    »Bring ein paar Stühle her«, sagte er zu einem der Männer, die ihn begleiteten, und dann fügte er nach einem Blick auf seinen müden Gefangenen hinzu: »Besorge auch eine Matratze und bring sie her, wenigstens aber einen Strohsack.«
    In der Zelle war es ziemlich kalt, und doch fühlte Hornblower, daß ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Seine Schwäche nahm von Sekunde zu Sekunde zu, die Füße wollten ihn schon im Stehen nicht mehr tragen, immer toller wurde das Schwindelgefühl. Kaum lag die Matratze auf dem Boden, da schleppte er sich mit letzter Kraft hin und stürzte darauf nieder.
    In diesem Augenblick war alles vergessen, sogar seine Verzweiflung über Mariens Tod. Weder Reue noch Furcht fanden noch Raum in seiner Seele. Er lag mit dem Gesicht zum Boden gekehrt, nicht bewußtlos, nicht schlafend, und doch weit fort von der Wirklichkeit, im Lande des Vergessens. Das Klopfen in den Beinen, das Rauschen in den Ohren, der Schmerz in der Schulter und das ganze Elend seiner armen Seele, alles das schrumpfte im Augenblick, da er niederstürzte, zu einem Nichts zusammen. Als die Riegel wieder klapperten und die Rückkehr des Adjutanten verkündeten, hatte sich Hornblower schon wieder ein bißchen erholt. Er lag noch immer mit dem Gesicht nach unten und war fast froh darüber, daß er sich nicht zu rühren, daß er nicht zu denken brauchte. Der Adjutant trat in die Zelle.
    »Hat der Gefangene schon gesprochen?« hörte er den Adjutanten fragen. »Nein, kein Wort«, sagte der Leutnant.
    »Die Verzweiflung hat ihn stumm gemacht«, meinte der Adjutant. Das war sicher nur eine gedankenlose Redensart, aber sie machte Hornblower doch zu schaffen. Vor allem wurmte ihn, daß der Adjutant ihn in dieser unbeherrschten, würdelosen Haltung überrascht hatte. Er drehte sich um, setzte sich auf seinem Strohsack auf und starrte stumm zu dem vor ihm stehenden Adjutanten empor.
    »Haben Sie keine besonderen Wünsche?« fragte der.

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