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Hornblower 09 - Lord Hornblower

Hornblower 09 - Lord Hornblower

Titel: Hornblower 09 - Lord Hornblower Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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Füße. Hornblower mußte bei aller Benommenheit unwillkürlich staunen, wie vielseitig dieser Mann war. Brown konnte einfach alles, was er in die Hand nahm, ganz gleich, was es war, Spleißen und Knoten, ein Pferdegespann kutschieren, Schiffsmodelle für Richard bauen, aber auch Lehrer und Kindermädchen bei dem Jungen spielen.
    Er konnte loten, ein Reff einstecken, bei Tisch aufwarten, seinen Törn am Ruder gehen oder kunstgerecht eine Gans zerteilen. Er konnte einen müden Mann ausziehen und - was mindestens ebenso wichtig war wie alles andere - er wußte, wann es Zeit war, mit den beruhigenden Reden aufzuhören. Er legte ihn schweigend zu Bett, zog die Decke über ihn und ließ ihn allein, ohne ihn vorher noch mit einer abgedroschenen Phrase zu ärgern, indem er etwa der Hoffnung Ausdruck gab, daß er gut schlafen möge. Dieser Brown war wohl ein bei weitem nützlicheres Mitglied der menschlichen Gesellschaft als er, Hornblower, selbst. Das war der Schluß, bei dem Hornblower mit seinen letzten, wirren Gedanken landete, ehe ihn der Schlaf der Erschöpfung umfing. Hätte Brown, so überlegte er, als Junge ebenso gut schreiben und rechnen gelernt wie er selbst, hätte ihn ein günstigeres Geschick als Kadetten auf das Achterdeck und nicht als gepreßten Matrosen in den Mannschaftsraum geführt, dann wäre er heute wahrscheinlich ebenso Kapitän zur See wie er. Bezeichnenderweise mengte sich in diese Gedanken Hornblowers nicht die leiseste Spur von Neid. Er war nun reif und weise genug, um andere Menschen rückhaltlos bewundern zu können. Brown war bestimmt auch ein guter Ehemann - solange keine andere Frau in Reichweite war. Hornblower mußte bei diesem Gedanken lächeln und lächelte trotz Seekrankheit und trotz der heftigen Stampfbewegungen, die die Porta Coeli in dem kurzen Seegang vollführte, auch im Schlaf noch weiter.
    Als er aufwachte, fühlte er sich erfrischt und hungrig. Er hörte mit wohlwollender Geduld dem unaufhörlichen Lärm des Schiffes zu, streckte dann den Kopf aus den Decken hervor und rief nach Brown. Der Posten vor der Tür nahm den Ruf auf, und Brown trat im nächsten Augenblick ein. »Wie viel Uhr ist es?«
    »Zwei Glasen, Sir.«
    »Welche Wache?«
    »Nachmittagswache, Sir.«
    Das hätte er auch ohne zu fragen wissen können. Er hatte vier Stunden geschlafen, natürlich, die Gewohnheit einer zwölfjährigen Wachoffizierszeit hatte auch die neun Jahre, die er nun als Kommandant zur See fuhr, unversehrt überstanden.
    Die Porta Coeli stand zuerst auf dem Heck und stellte sich dann gleich hinterher auf die Nase, offenbar war gerade eine besonders steile See unter ihr hindurchgelaufen. »Es hat noch nicht abgeflaut?«
    »Nein, Sir, wir haben noch immer vollen Sturm.
    Westsüdwest. Liegen beigedreht unter Großstengestagsegel und dreifach gerefftem Großmarssegel. Kein Land und kein anderes Schiff in Sicht, Sir.« Der Krieg zeigte also wieder einmal jenes Gesicht, das ihm nachgerade vertraut sein mußte: endloses Warten, während am Horizont ständig die Gefahr lauerte. Er fühlte sich durch den vierstündigen Schlaf herrlich erfrischt, seine Niedergeschlagenheit und seine Sehnsucht nach dem Kriegsende waren verflogen. Nicht als ob er ein anderer Mensch geworden wäre, nein, aber der gesunde Fatalismus des alten Soldaten hatte bei ihm wieder die Oberhand gewonnen. Wohlig streckte er sich in seiner schwankenden Koje. Sein Magen war entschieden noch nicht ganz in Ordnung, aber solange er ausgeruht war und lag, ließ er ihn doch wenigstens in Ruhe. Wie dieser Magen sich allerdings verhielt, wenn er etwas unternahm, das war eine andere Frage. Aber er brauchte ja nichts zu unternehmen! Warum sollte er aufstehen und sich ankleiden, wenn es doch nichts für ihn zu tun gab? Er brauchte keine Wache zu gehen, nach dem Gesetz war er nichts als ein Passagier, und bis der Sturm sich abgeblasen hatte oder sonst eine unvorhergesehene Gefahr auftauchte, gab es wirklich keinen Grund, sich den Kopf zu zerbrechen. Er hatte immer noch eine Menge Schlaf nachzuholen, und wahrscheinlich hatte er wieder sorgenvolle, schlaflose Nächte vor sich, wenn es darum ging, die Aufgabe zu lösen, die ihm gestellt war. Es konnte also bestimmt nicht schaden, wenn er diese Gelegenheit benutzte, sich gründlich auszuruhen.
    »Gut, Brown«, sagte er in jenem gleichgültigen Ton, um den er immer bemüht war, »wecke mich, sobald es abflaut.«
    »Kein Frühstück, Sir?« Aus Browns Stimme sprach eine Überraschung, die auf Hornblower

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