Hornblower 10 - Hornblower in Westindien
des Hafenkais untertauchte. Als sie wieder allein waren, wandte er sich wieder zu Barbara, dem einzigen ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht.
Es war Hornblower nicht zu verdenken, daß er beim ersten Morgengrauen an Deck erschien. Er kam sich dort recht merkwürdig vor, da er eigentlich überall im Wege stand und müßig zusehen mußte, wie Knyvett das Schiff von der Pier freiwarpte, um mit der ersten Landbrise aus dem Hafen zu gelangen. Zum Glück besaß Knyvett eine ruhige Natur und ließ sich nicht dadurch aus der Fassung bringen, daß ein Admiral sein Manöver beobachtete. Die Landbrise füllte die Segel, und die Pretty Jane nahm allmählich Fahrt auf. Querab vom Fort Augusta wurde die Flagge gedippt, dann ging es mit Hartruder herum, daß Drunken Cay und South Cay an Backbord blieben, ehe der lange Schlag nach Osten beginnen konnte. Jetzt gab es nicht mehr viel zu sehen, Hornblower hatte also Muße, sich klarzumachen, daß er heute zum erstenmal gemeinsam mit Barbara an Bord eines Schiffes frühstücken sollte. Er war selbst überrascht, wie leicht er sich an das Leben als Passagier gewöhnte. Anfangs war er so ängstlich darauf bedacht, ja nichts zu tun, was man als Einmischung in die Schiffsführung auslegen konnte, daß er nicht einmal einen Blick auf den Kompaß zu werfen wagte, um sich über den anliegenden Kurs zu unterrichten. Er war es zufrieden, neben Barbara im Schatten des Deckshauses im Liegestuhl zu ruhen - ihre beiden Stühle waren mit Stroppen festgemacht, damit sie nicht nach Lee rutschen konnten, wenn die Pretty Jane überlag. Wenn er so dalag, dann schwiegen alle Gedanken, er achtete nur noch auf die Fliegenden Fische, die die Oberfläche des Wassers durchbrachen, auf die gelben Büschel Sargassokraut, die wie goldene Flecken im Blau der See vorübertrieben, er beobachtete dann und wann eine einsame Schildkröte, die so weit von Land tapfer ihres Wegs zog. Er sah zu, wie Kapitän Knyvett und sein Steuermann ihre Mittagsbreite nahmen, und gab sich darüber Rechenschaft, daß ihn ihr Zahlenkram überhaupt nicht interessierte - viel wichtiger war es, daß die Essenszeiten pünktlich eingehalten wurden. Er verstieg sich Barbara gegenüber zu dem faulen Scherz, die Pretty Jane hätte diese Reise schon so oft gemacht, daß sie ihren Weg bestimmt auch ohne Führung fände, und war in seinem trägen Dahindämmern schon so anspruchslos geworden, daß er diese Bemerkung für witzig hielt. Nach drei Jahren angestrengten Dienstes war dies nun sein erster Urlaub. Während seines ganzen Kommandos war er keinen Tag untätig gewesen, und überdies hatte es häufig genug Zeiten unerhörter Anspannung für Körper und Geist gegeben. Jetzt ergab er sich wohlig dem Nichtstun, einem Manne vergleichbar, der sich in ein warmes Bad sinken läßt, nur mit dem Unterschied, daß er keineswegs erwartet hatte, einfaches Nichtstun und (noch wichtiger vielleicht) der Wegfall der Verantwortung könnten ihm soviel Entspannung und echte Erholung schenken. Während dieser goldenen Sonnentage gab es nichts, was ihm irgendwie wichtig gewesen wäre. Während die Pretty Jane am Winde stampfend nach Norden strebte, kümmerte ihn am wenigsten von allen Menschen an Bord die brennende Frage, ob der Passat seine Richtung wohl so stetig beibehalten werde, daß sie von Kap Maysi freikamen, ohne noch einmal wenden zu müssen. Es war ihm ganz gleichgültig, ob dieser Wunsch in Erfüllung ging oder nicht. Er nahm mit philosophischer Ruhe den langen Schlag nach Luv hin, der sie wieder auf Haiti zuführte, und lächelte überlegen über den Jubel an Bord, als sie mit dem nächsten Schlag Erfolg hatten und den Windward-Kanal passieren konnten, womit sie das Karibische Meer fast hinter sich hatten. Dann aber verbot ihnen wieder eine hartnäckige Abweichung des Passats nach Norden, die Caicos-Passage anzuliegen, so daß sie weiter östlich abhalten mußten, um die Silver-Bank-Passage zu benutzen. Caicos oder Silver Bank - Turks Island oder Mouchoir in Lee - was verschlug es ihm? Ihm machte es keinen Unterschied, ob sie im August oder erst im September nach Hause kamen. Trotz dem ungewohnten Nichtstun waren aber seine seemännischen Instinkte hellwach.
Den Abend, an dem sie endlich den freien Atlantik erreicht hatten, fühlte er zum ersten Male seit dem Verlassen Jamaikas eine seltsame innere Unruhe. Die Luft war stickig und erschwerte das Atmen, auch die Dünung, die der Pretty Jane schwer zu schaffen machte, schien ihm irgendwie
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