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Hornblower 10 - Hornblower in Westindien

Hornblower 10 - Hornblower in Westindien

Titel: Hornblower 10 - Hornblower in Westindien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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von der Wahrheit seiner Nachricht überzeugt waren. Darüber hätte er sich freuen können, wäre es für ihn nicht mit aller Freude endgültig aus gewesen. Einer der Offiziere trennte sich von der Gruppe und rief etwas den Niedergang hinunter. Im nächsten Augenblick erschien die Kaiserliche Garde Mann für Mann an Oberdeck. Die alte Garde, Bonapartes alte Garde, alle in voller Uniform. Sie waren offenbar gefechtsbereit, für den Fall, daß die Crab so töricht gewesen wäre, den Kampf zu wagen. Es waren ihrer fünfhundert, alle in Uniform, auf dem Kopf die Bärenmütze, in der Hand die Muskete. Auf einen lauten Befehl hin traten sie an Deck in tadelloser Ordnung an, Glied hinter Glied, alles stämmige, bärtige Männer, die schon in jede Hauptstadt Europas, London allein ausgenommen, als Sieger einmarschiert waren. Sie hielten alle ihre Gewehre bei Fuß und standen in militärischer Haltung still, nur wenige blickten nicht starr geradeaus, sondern schielten neugierig nach dem britischen Admiral. Die Tränen rannen Cambronne über die gefurchten Wangen, als er vor sie hintrat, um zu ihnen zu sprechen. Er konnte ihnen die traurige Nachricht nur in kurzen, abgerissenen Sätzen übermitteln, da er in seinem Schmerz kaum Worte fand.
    Sie knurrten wie wilde Tiere, als sie begriffen, was er ihnen sagte. Ihre Gedanken waren bei ihrem Kaiser, der in seinem einsamen Inselgefängnis unter den Händen seiner herzlosen englischen Büttel leiden und nun gar sterben mußte. Die Blicke, die sich auf Hornblower richteten, verrieten jetzt nicht mehr Neugier, sondern blanken Hass. Aber Cambronne hatte ihre Aufmerksamkeit gleich wieder gewonnen, als er jetzt auf die Zukunft zu sprechen kam. Er sprach von Frankreich und vom Frieden. »Der Kaiser ist tot!« sagte er abermals, als ob er damit zum Ausdruck bringen wollte, daß nun das Ende dieser Welt gekommen sei. Die Glieder lösten sich auf, die aufwühlende Nachricht hatte sogar die eiserne Disziplin der alten Garde gebrochen. Cambronne zog seinen Degen und hob den Griff mit prachtvollem Schwung wie zum Salut an die Lippen, daß die stählerne Klinge im Licht der sinkenden Sonne blitzte.
    »Ich führte diese Waffe für den Kaiser«, sagte Cambronne, »ich werde sie nie mehr für einen anderen ziehen.« Er nahm die Klinge unter dem Griff in beide Hände, legte sie quer über das gehobene Knie und brach sie mit einem einzigen Ruck seines schlanken, kräftigen Körpers mittendurch. Dann wandte er sich um und schleuderte die beiden Stücke über Bord. Die Laute, mit denen die Garde diese Szene begleitete, hörten sich an wie ein langgezogenes Stöhnen. Einer der Männer nahm seine Muskete bei der Mündung, schwang sie über seinen Kopf und hieb sie krachend an Deck, so daß sie am Ansatz des Kolbens entzweibrach. Andere folgten alsbald seinem Beispiel, Hunderte von Musketen flogen über die Reling und versanken in der Tiefe.
    Der amerikanische Kapitän wohnte dem ganzen Geschehen so gleichmütig bei, als ob ihn nichts mehr erschüttern könnte, nur die kalte Zigarre in seinem Mund wurde im Verlauf des Vorgangs ein ganzes Stück kürzer, weil er ihr Ende zwischen den Zähnen zerkaute. Jetzt suchte er Hornblowers Nähe, offenbar um zu erfahren, was das Ganze zu bedeuten habe, aber der französische Adjutant trat dazwischen. »Nach Frankreich«, sagte er zu ihm, »wir fahren nach Frankreich.«
    »Nach Frankreich?« wiederholte der Kapitän überrascht.
    »Also nicht?« Er sprach den Namen St. Helena gar nicht aus, aber sein Ausdruck verriet, daß er ihm auf der Zunge lag. »Ja, nach Frankreich«, wiederholte der Adjutant mit Nachdruck.
    Jetzt kam auch Cambronne herbei, er hielt sich steifer und aufrechter denn je, um sich seine Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. »Ich möchte Sie in dieser schmerzlichen Stunde nicht weiter belästigen, Herr Graf«, sagte Hornblower. »Nur eins noch, denken Sie immer daran, daß es einen Engländer gibt, der aufrichtig mit Ihnen fühlt.« Wenn Cambronne erst herausfand, daß ihn dieser ehrlose Engländer schnöde hinters Licht geführt hatte, dann dachte er bestimmt an seine Worte. Dennoch mußten sie in diesem Augenblick gesprochen werden.
    »Ich werde daran denken«, sagte Cambronne. Er zwang sich sichtlich dazu, die gebotene Form zu wahren. »Ich habe Ihnen für Ihren Takt und Ihr Verständnis zu danken, Mylord.«
    »Und ich habe nur meine Pflicht gegenüber der Welt erfüllt«, sagte Hornblower.
    Er wollte Cambronne lieber nicht die Hand hinreichen.

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