Hornblower 10 - Hornblower in Westindien
einen Ball stimmte also Hornblower keineswegs so froh und glücklich wie seinen Flaggleutnant und seinen Sekretär.
Hornblower knüpfte die weiße Halsbinde und zog sie mit peinlicher Sorgfalt zurecht, bis sie genau symmetrisch saß, dann half ihm Giles in seinen schwarzen Frack. Als er fertig war, musterte er sich im Kerzenlicht der rund um den Rahmen des Spiegels brennenden Kerzen. ›Nicht übel‹, sagte er zu sich selbst.
Jetzt im Frieden setzte sich bei Armee- und Marineoffizieren immer mehr der Brauch durch, bei gesellschaftlichen Anlässen in Zivil zu erscheinen, was ebensoviel für sich hatte wie die wachsende Vorliebe der Herrenwelt für den neumodischen schwarzen Frack. Barbara hatte diesen hier für ihn ausgesucht und dem Schneider bei den Anproben auf die Finger gesehen.
Hornblower drehte sich vor dem Spiegel und fand, daß er tadellos saß und daß ihm dieses Schwarz und Weiß überhaupt gut zu Gesicht stand. ›Nur ein Gentleman kann Schwarz und Weiß tragen‹, hatte Barbara gesagt, und das tat ihm in der Seele wohl.
Giles reichte ihm den Zylinder, er setzte ihn auf und prüfte, wie er sich damit ausnahm. Dann griff er nach den weißen Handschuhen, dachte eben noch rechtzeitig daran, den hohen Hut wieder abzunehmen, und trat endlich auf den Gang hinaus, wo ihn Gerard und Spendlove in ihren besten Uniformen bereits erwarteten. »Ich möchte in meinem und Spendloves Namen wegen unseres Gesangs vorhin um Entschuldigung bitten, Mylord«, sagte Gerard.
Der schwarze Abendanzug wirkte offenbar besänftigend auf das Gemüt, denn Hornblower verzichtete auf jedes harte Wort.
»Was würde Miss Lucy von Ihnen halten, Spendlove«, fragte er, »wenn sie das Lied von den französischen Mädels aus Ihrem Munde hörte?«
Spendlove antwortete mit einem entwaffnenden Lächeln:
»Darf ich Eurer Lordschaft Nachsicht abermals in Anspruch nehmen - und bitten, ihr nichts davon zu erzählen?«
»Das hängt ganz von Ihrem künftigen Benehmen ab.« Der offene Wagen wartete vor dem Haupteingang des Admiralitätsgebäudes, vier Matrosen standen mit Laternen bereit, die zusammen mit den Lampen in der Vorhalle den Weg erhellten. Hornblower kletterte in die Kutsche und nahm Platz.
Hier an Land waren die Vorschriften der Etikette ganz anders als an Bord: Er vermißte die schrillen Töne der Pfeifen, die für sein Empfinden dieses Zeremoniell begleiten sollten, so wie es der Fall war, wenn er ein Boot bestieg. Außerdem bestieg der älteste Offizier einen Wagen zuerst und nicht zuletzt, darum mußten Spendlove und Gerard auf die andere Seite rennen und schleunigst von drüben einsteigen, als er seinen Platz eingenommen hatte. Gerard saß links neben ihm und Spendlove gegenüber mit dem Rücken zu den Pferden. Der Schlag klappte zu, die Gäule zogen an und trabten zwischen den Laternen der Einfahrt hindurch hinaus in die pechrabenschwarze Nacht Jamaikas. Hornblower füllte seine Lungen mit der warmen tropischen Nachtluft und gestand sich widerstrebend ein, daß ein Ball am Ende doch keine so lästige Sache war.
»Sie möchten wohl eine gute Partie machen, Spendlove?« fragte er. »Soviel ich weiß, ist Miss Lucy Alleinerbin. Aber an Ihrer Stelle würde ich mich doch noch genau erkundigen, ob es nicht irgendwelche Neffen von Vaters Seite gibt.«
»Eine gute Partie wäre gewiß zu wünschen, Mylord«, ertönte Spendloves Stimme aus dem Dunkel, »aber ich muß Ihnen leider sagen, daß ich in Herzensangelegenheiten von Geburt an - oder genauer gesagt, seit meiner Taufe arg benachteiligt bin.«
»Seit Ihrer Taufe? Was wollen Sie damit sagen?«
»Jawohl, Mylord. Sie erinnern sich vielleicht meines Vornamens.«
»Erasmus, nicht wahr?« sagte Hornblower. »Gewiß, Mylord, das ist es eben. Mein Name ist beim Austausch von Zärtlichkeiten einfach nicht am Platz. Können Sie sich vorstellen, daß sich eine Frau in einen Mann verliebt, der Erasmus heißt? Daß sich eine Frau dazu herbeiließe ›Razzy-Liebling‹ zu hauchen?«
»Ich könnte mir das durchaus denken«, sagte Hornblower.
»Wie schön, wenn ich es eines Tages doch noch erlebte«, seufzte Spendlove.
Es war bei Gott nicht übel, hinter zwei guten Pferden und in Gesellschaft zweier netter junger Männer durch das nächtliche Jamaika zu rollen, zumal wenn man sich sagen konnte, daß man die kleine Erholung durch gute Arbeit redlich verdient hatte. Der Befehlsbereich war in bester Ordnung, die Seepolizei im Karibischen Meer wirkte sich segensreich aus. Schmuggel und
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