Hornblower 10 - Hornblower in Westindien
überaus peinlich, mit ansehen zu müssen, wie dieser tüchtige junge Mann vor den Augen der Sieger förmlich in sich zusammensank, so peinlich, daß diesen darüber sogar die Freude an ihrem geglückten Seemannsstreich verging. Immerhin, dreihundert Sklaven hatten durch diese List ihre Freiheit gewonnen.
Hornblower diktierte seine Depesche an Ihre Lordschaften, und Spendlove, der neben einer erstaunlichen Vielzahl anderer Dinge auch die neumodische Kurzschrift beherrschte, schrieb den Brief mit einer Gewandtheit nieder, die auch Hornblowers stockender Sprache spielend gewachsen war - Hornblower hatte in der Kunst des Diktierens noch recht wenig Übung. »Zum Abschluß«, sagte Hornblower an, »gereicht es mir zur besonderen Freude, Eure Lordschaften auf die Verdienste des Kommandanten, Kapitän Sir Thomas Fell, hinweisen zu können, dessen Diensteifer und Ideenreichtum diesen beispiellosen Erfolg überhaupt erst ermöglicht hat.«
Spendlove blickte von seinem Stenogramm auf und starrte ihn an. Der Sekretär wußte, wie es wirklich gewesen war, aber der durchdringende, stumme Blick seines Admirals schnitt ihm das Wort im Munde ab.
»Schreiben Sie dazu den üblichen Schluß«, sagte Hornblower.
Er brauchte seinem Sekretär nicht zu erklären, warum er sich so verhielt. Selbst wenn er versucht hätte, wäre es ihm wahrscheinlich nicht gelungen. Fell war ihm deshalb um kein Haar sympathischer als früher. »Jetzt einen Brief an meinen Agenten«, sagte Hornblower.
»Aye, aye, Mylord«, sagte Spendlove und begann eine neue Seite.
Hornblower legte sich zurecht, was in diesem Brief stehen sollte. Er wollte zum Ausdruck bringen, daß er auf seinen Anteil an dem Prisengeld verzichtete, weil die Wegnahme der Prise auf die Vorschläge Sir Thomas' zurückzuführen sei. Er wünschte, daß der Anteil der Flagge ebenfalls Sir Thomas zugutekommen sollte.
»Nein«, sagte Hornblower schließlich, »belege den Brief. Ich werde dem Mann nicht schreiben.«
»Aye, aye, Mylord«, sagte Spendlove.
Man konnte einem anderen Mann Auszeichnungen und Ehren zuschieben, aber Geld? Nein, das ging beim besten Willen nicht.
Das war zu auffällig, es konnte den Empfänger allzu leicht argwöhnisch machen. Gesetzt, Sir Thomas erriet den Zusammenhang und fühlte sich verletzt? Was dann? Nein, dieser Gefahr wollte er sich nicht aussetzen. Nichtsdestoweniger wünschte er sich, daß ihm Sir Thomas ein bißchen sympathischer gewesen wäre.
Die kopflosen Piraten
Franzosenmädels sind lieb und fein Und flämische Lippen so heiß...
Das war der junge Spendlove, der im Admiralitätsgebäude, nur zwei Zimmer von Hornblower entfernt, ein lustiges Lied sang. Er hätte ebenso gut im gleichen Raum singen können, da alle drei Fenster weit offenstanden, um die kühle Seebrise von Jamaika hereinzulassen.
In Italien schmecken die Küsse wie Wein...
Das war Gerard, der in ebenso fröhlicher Laune einfiel.
»Meine Empfehlung an Mr. Gerard und Mr. Spendlove«, sagte Hornblower brummig zu Giles, der ihm beim Anziehen half, »sie möchten sofort mit ihrer Katzenmusik Schluß machen.
Wiederholen Sie, was ich gesagt habe, damit ich weiß, daß Sie richtig verstanden haben.«
»Seine Lordschaft läßt sich den Herren empfehlen, und sie möchten sofort mit ihrer Katzenmusik Schluß machen«, wiederholte Giles pflichtgetreu. »Los, richten Sie ihnen das schleunigst aus.« Giles verschwand, und Hornblower hörte mit Genugtuung, daß der Gesang plötzlich verstummte. Offenbar waren die beiden jungen Männer in sehr gehobener Stimmung, sonst hätten sie nicht gesungen, sonst hätten sie vor allem nicht vergessen, daß er, ihr Chef, in Hörweite war. Da sie sich eben für einen Ball zurechtmachten, war ihre laute Fröhlichkeit wohl zu erklären. Dennoch hatten sie keine Entschuldigung für ihr Verhalten, wußten sie doch nur zu genau, daß alles, was Musik hieß, ihrem tontauben Oberbefehlshaber von Grund auf zuwider war. Sie hätten außerdem wissen müssen, daß er eben wegen dieses bevorstehenden Balles ohnedies in gereizter Stimmung war, weil er sich gezwungen sah, einen ganzen Abend hindurch diese langweiligen Geräusche anzuhören, die ihn anwiderten und zugleich an seinen Nerven zerrten. Zwar durfte er erwarten, daß an einigen Tischen Whist gespielt wurde, weil Mr. Hough bestimmt schon wußte, womit er seinem Ehrengast eine Freude machen konnte, aber daß man im Spielzimmer die Musik nicht hört, war wohl mehr, als man sich erhoffen durfte. Die Aussicht auf
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