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Horror Factory 09 - Die Todesuhr

Horror Factory 09 - Die Todesuhr

Titel: Horror Factory 09 - Die Todesuhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert C. Marley
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jedes Mal etwa eine Viertelstunde, ohne etwas von dem im Fieberwahn stöhnenden Mann zu erfahren. Und als er am nächsten Tag wiederkam, war Reynolds bereits tot.
    Er sah ihn sich ganz genau an. Sein Haar war kürzer, was aber wohl daran lag, dass sich unzählige Souvenirjäger – die meisten davon Frauen –, die man gegen ein Bestechungsgeld zu ihm ins Krankenzimmer gelassen hatte, einer Locke versichert hatten. Der Hauch eines Lächelns lag auf dem Gesicht des Toten.
    Poe, der seinen tagelangen Todeskampf mit angesehen hatte, wusste, dass es nur zu trügerisch war. Und seine eigenen, ihm unter den Umständen nun beinahe prophetisch erscheinenden Worte kamen ihm wieder in den Sinn.
    »Wer hätte jemals in Wahrheit auf den lächelnden Zügen der Toten anderes gesehen, als Entsetzen?«
    Was war hier geschehen? Warum sah Reynolds aus wie er selbst, nur wesentlich älter? Welche teuflische Kraft hatte es vermocht, einen Zwilling hervorzubringen?
    Jeder hier schien ihn für Edgar Poe zu halten. Fiel denn niemandem auf, dass der Leichnam dieses Mannes gut zwanzig Jahre älter aussah, als er selbst? Nein, wohl nicht. Und das überraschte ihn eigentlich auch nicht. Denn wenn er so darüber nachdachte, musste er zugeben, wie verwundert er selbst über Virginias Aussehen gewesen war.
    Ach, Virginia. Geliebte, tote Virginia … Sie war das beste Beispiel dafür, wie der alte Rächer Tod das Aussehen eines geliebten, dahingeschiedenen Menschen zu verändern vermochte. Als die Schwindsucht sie in so großer Eile dahingerafft hatte, war ihm das ehemals so vertraute Gesicht auch seltsam alt und fremd vorgekommen. Ihre Jugendlichkeit war verraucht, in dem Moment, als die Flamme des Lebens erlosch. Wenn er sich in Erinnerung rief, wie sie dagelegen hatte, in der kleinen Schlafkammer im Untergeschoss, auf dem einfachen Bett aus Stroh, ohne Laken und in seinen alten Militärmantel gehüllt. Wie eine vertrocknete Blume war sie, farblos, kalt und welk. Und auf ihrer Brust die große Katze, deren schnurrender Leib den toten Körper gegen alle Vernunft zu wärmen und mit Leben zu erfüllen versuchte.
    Er kannte das Antlitz des Todes gut. Es war nicht friedvoll und schlafesgleich. Es war grau und alt. Nicht im Mindesten zu vergleichen mit den feinen Zügen, die er gekannt, mit der weichen, zarten Haut der jugendlichen Virginia, die er so oft gestreichelt und deren Lippen er liebkost hatte. Der Tod hatte ihr nicht nur ihr junges Leben, sondern auch ihre Jugendlichkeit genommen.
    Poe hatte sich verzweifelt bemüht, es zu vergessen, es wenigstens zu verdrängen, aber jetzt, im Angesicht dieses toten alten Mannes, der ihm, bis auf das Alter, wie ein Ei dem anderen glich, kam alles wieder zurück.
    Virginias Sarg, der so klein gewesen war, dass er wie ein Spielzeug auf seinem Schreibtisch Platz gefunden hatte. Und darin der in Leinen gehüllte tote Körper einer alten Frau von vierundzwanzig Jahren.
    Poe erwachte wie aus einer Trance und bemerkte, dass er noch immer am Fußende des Bettes stand und Reynolds’ Leichnam anstarrte.
    Er blieb noch ein paar Minuten bei dem Toten, die er tief in Gedanken versunken verbrachte. Dann verließ er das Sterbezimmer, ohne sich noch einmal umzusehen.

6
    Nach der Beerdigung kehrte Poe noch einmal in die Wohnung in der Barnham Street zurück, nahm alles mit, was er an Papieren in der Standuhr gefunden hatte und steckte die Pistole ein. Dann machte er sich auf den Weg zu den Docks.
    Am Hafen fand er ohne Schwierigkeiten das Schiff, das er suchte.
    Es war die Basilisk , eine kleine, zweimastige Brigg, die unter englischer Flagge fuhr und über zwei dampfbetriebene Schaufelräder verfügte. Das Schiff war an die fünfundsechzig Meter lang, gut siebzehn Meter breit und konnte fast hundertzwanzig Passagiere aufnehmen. Die Basilisk war eines der modernsten der Flotte und machte ganze neun Knoten Fahrt, aufgrund der zusätzlichen Segeltakelage bei gutem Wind noch mehr, wie ihm der Angestellte im Büro der Cunard-Line voller Stolz mitgeteilt hatte. Seine Überfahrt nach Portsmouth würde also etwa eine Woche dauern. 
    Als Poe an Bord ging, sah er Gepäckträger mit Koffern und Kisten hantieren; all das Hab und Gut der Reisenden, das es im Bauch des Schiffes zu verladen galt. Darunter war ein Gegenstand, den er auf den ersten Blick nicht sogleich einordnen konnte.
    Zwei Männer in Uniform trugen einen länglichen Kasten, der vielleicht einen Meter zwanzig lang und mit einem weißen Seidentuch bedeckt war.
    »Was

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