Horror Factory 13 - Epitaph
Körper und schlängelten sich unter meine Kleidung. Sie waren warm und trocken und von einer Energie erfüllt, die sie auf der Haut vibrieren ließ. Ich versuchte der Kreatur in Gedanken ein Bild zu übermitteln, etwas, das sie verstehen mochte, doch in meinem Kopf herrschte nur Chaos.
Das Numen verharrte still, als wäre es irritiert. Es war das erste Mal, dass wir uns auf dieser Seite seines Kontinuums berührten. Mein Kopf schmerzte, und meine rechte Hand begann taub zu werden. Geronnenes Blut klebte zwischen meinen Fingern, die Knochen schimmerten bläulich weiß daraus hervor. Vielleicht war das Numen gar nicht verwirrt, sondern von meiner Dreistigkeit, es zu berühren, einfach nur für einen Moment überrascht. Vielleicht erfolgte schon in der nächsten Sekunde der tödliche Hieb seiner Klaue …
Die Kreatur bewegte sich wie in Zeitlupe rückwärts, dann schnellte sie heran und verschlang meinen rechten Arm bis zum Ellbogen. Ich schrie auf und versuchte panisch, meine Hand aus dem Maul des Numen zu reißen. Eine widerlich weiche Masse in seinem Inneren begann sich um sie zu winden, während es mich fest im Griff hielt, damit ich nicht zurückweichen konnte. Die Wunde schmerzte, als hätte ich meine Hand in ein Säurebad getaucht. Während ich mir vorstellte, wie die Verdauungsflüssigkeit mein Gewebe auflöste und das Numen das Fleisch von meinen Knochen schlürfte, ließen die Schmerzen langsam nach. Als die Kieferklauen mich schließlich wieder freigaben, taumelte ich zurück. Ich wollte nicht hinsehen, befürchtete, einen skelettierten Unterarm zu erblicken – doch das Gegenteil war der Fall. Unter dem Speichel glänzte eine fast unversehrte Hand. Lediglich feine Narben erinnerten noch an die vom Metall gerissenen Wunden.
Nur beiläufig nahm ich wahr, dass Naumanns Assistentin das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Reglos vor Entsetzen lag sie auf dem Boden und starrte die monströse Kreatur an.
Ehe ich meine eigene Konfusion überwunden hatte, packte das Numen die Asiatin, riss sie empor und katapultierte sich mit allen zehn Beinen gleichzeitig in die Höhe. Ein letzter, gellender Schrei, der abrupt abriss, dann waren sie und das Numen verschwunden. Haare und Schaumstofffetzen regneten von der Decke. Schockiert starrte ich hinauf zum Kuppeldach, in der Erwartung, jeden Augenblick wieder menschliche Körperteile herabzustürzen zu sehen wie Tage zuvor bei Liju.
Nichts geschah.
Selbst nach Minuten blieb alles friedlich. Die einzigen Geräusche kamen aus Richtung des Zugangsportals, wo das mittlerweile alarmierte Wachpersonal versuchte, die Tür aufzubrechen. Auf diese Weise würde es ihnen nicht gelingen, in den Dom einzudringen. Selbst mit Schweißbrennern dauerte es Naumann zufolge Stunden, das Hindernis zu bezwingen. Wie viel Zeit auch vergehen mochte, was danach folgte, würde ich vermutlich nicht überleben. Es gab niemanden mehr, der sich schlichtend zwischen mich und die Sicherheitskräfte stellen konnte, und ich kannte den Code nicht, um den Notausgang zu öffnen. Doch selbst wenn ich in der Falle saß, konnte ich die mir verbleibende Zeit nutzen und dafür sorgen, dass den Dom nie wieder jemand zu betreten brauchte.
In den Fetzen von Naumanns Mantel fand ich ein blutverschmiertes Benzinfeuerzeug. Ich säuberte es, dann rieb ich sein Zündrad so lange über den Stoff meines Ärmels, bis es wieder Funken schlug. Nach dem dritten Versuch brannte über der Düse eine kleine Flamme. Sämtliches Papier, das ich in den Aufzeichnungsgeräten, Aktenmappen und Dokumentenablagen fand, sammelte ich zusammen, ebenso Handtücher und die restlichen Laken. Einen Scheiterhaufen schichtete ich auf dem Sessel des Radoms auf, den zweiten auf dem Hallenboden. Die Schaumstoffpyramiden bestanden aus Polyurethan. Einmal entzündet, brannte die schmelzende Masse wie die Hölle und entflammte die benachbarten Absorber. Nachdem ich mit zitternden Händen auch meinen kleinen Scheiterhaufen auf dem Sessel in Brand gesetzt hatte, erfüllte mich eine Mischung aus tiefer Zufriedenheit und Wehmut. Naumanns Jenseits-Therapie endete heute.
Game over.
*
Während ich im Konsolenhalbrund des Epitaphs stand und die Kontrollmonitore studierte, um den brennenden Sessel bis auf einen kleinen Sauerstoffspalt ins Radom gleiten zu lassen, vernahm ich über mir ein Geräusch, das wie die Explosion einer Gasgranate klang. Was von der Decke herabsank, war jedoch keine Aerosolwolke, sondern das Numen . Noch mehr als seine Rückkehr
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