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Horror Factory 13 - Epitaph

Horror Factory 13 - Epitaph

Titel: Horror Factory 13 - Epitaph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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die darauffolgende Session am letzten Speicherpunkt beginnen konnte, bis ich womöglich irgendwann auch verloren geglaubte Erinnerungen ausgraben und in dieses Mosaik integrieren würde.
    Hinter diesem hehren Ziel hatte sich jedoch schon bald die Schattenseite des Verfahrens offenbart. Naumann verglich mich mit einem sterilisierten Gefäß; einer Art menschlicher Materia prima , die er seinen Vorstellungen entsprechend formen durfte. Für ihn war ich ein leerer Behälter ohne fremde Besitzansprüche, frei im Geiste, ohne gute oder schlechte Erinnerungen. Ein Gefäß, das in seinen Augen mit jedem beliebigen Inhalt gefüllt werden konnte.
    Dass mit der vermeintlichen Wundertherapie etwas nicht stimmte, war mir bewusst geworden, als die versprochenen Erfolge ausblieben. So sehr ich mich bemühte, den Epitaph mit Erinnerungen zu füttern, meine Welt blieb leer und dunkel. Naumann hatte die Probleme mit dem zeitaufwendigen Justierungs- und Kalibrierungsprozess, der schleppenden Annäherung an den Konfluenzpunkt und der Suche nach der richtigen Frequenz begründet. Ich hatte das Spiel wochenlang mitgespielt – bis sie aufgetaucht war; zuerst auf der anderen Seite, dann auch hier.
    In den vergangenen Monaten hatte ich akzeptiert, mein Gedächtnis verloren zu haben und zum Betreuungsfall geworden zu sein, aber nie die Hoffnung aufgegeben, es wiederzufinden – doch dieses Unwesen konnte kein Fragment meiner verschollenen Erinnerungen sein, kein Teil meiner eigenen Vergangenheit!
    Nicht aus diesem Leben …
    Naumann hatte mich nicht ernst genommen, als ich ihm vor knapp zwei Wochen zum ersten Mal von ihr erzählt hatte, und mir Symptome einer Persönlichkeitsstörung attestiert. Nach wie vor hielt er sie für ein Konfabulationsprodukt; ein Fragment meiner gestörten Wahrnehmung, das Resultat einer unbewussten Überbrückung meiner Erinnerungslücken durch Phantome und Fantasieinhalte. Für ihn war der ›meuchelnde Sukkubus‹, den ich in meiner ständigen Nähe zu sehen vorgab, lediglich eine Chimäre; eine manifestierte chronische Halluzination als Begleiterscheinung meines neurologischen Handicaps.
*
    Ich zögerte, als ich vor dem Epitaph stand, dann ließ ich mich in den Sessel sinken und lehnte mich zurück. Mein Körper ruhte bequem in einer gepolsterten Aussparung. Naumann setzte mir eine Elektrodenhaube auf und zog den Kinnriemen fest, dann betätigte er ein Pedal, woraufhin der Sessel sich nach hinten neigte. Zum Schluss zog er zwei Kabel aus dem Kopfpolster, deren Enden in Bantamsteckern mündeten.
    »Halt still«, wies er mich an, während er einen der Stecker in eine Buchse führte, die sich drei Zentimeter über meinem rechten Ohr öffnete. Das Gleiche tat er mit dem zweiten Stecker über dem linken Ohr. Mit Geräuschen, die zwar an meine Trommelfelle drangen, jedoch ebenso mitten in meinem Gehirn zu erklingen schienen, rasteten sie ein.
    Wann man mir diese Löcher in den Schädel gebohrt hatte, wusste ich nicht, vermutete jedoch, dass Naumann dafür verantwortlich war. Das Purgatorium über uns beherbergte viele Laboratorien …
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Liju, nachdem sie die letzte Elektrode auf meiner Brust befestigt hatte.
    Ich nickte.
    »Dann beginnen wir mit der Frequenz des vorangegangenen Transits.« Naumann studierte das Sitzungsprotokoll. »Korrektur«, entschied er. »Wir gehen 0,3 Hertz höher, dann erzielen wir vielleicht einen Fortschritt. Bist du so weit?«
    »Nein.«
    Naumanns Lächeln war eine Grimasse aus Mitleid, Abscheu, Ärger und falscher Fürsorge. Auf sein Zeichen hin ließ Liju den Sessel ins Radom gleiten, bis dessen Rückseite bündig mit der Außenhülle abschloss. Ich ruhte in einer hermetisch verschlossenen, schalldichten Sphäre, deren Innenwand mit Stabantennen und Parabolreflektoren gespickt war. Sekundenlang geschah nichts, dann wurden meine Sinne überblendet von einem grellen Lichtimpuls, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnern.
*
    Als ich von Naumann zum ersten Mal an den Epitaph angeschlossen und »hinüber«geschickt worden war, hatte ich geglaubt, die nachfolgende Finsternis und die Stille wären die Resultate überreizter Sinne gewesen. Schnell hatte mir die Vernunft gesagt, dass jenes Ich, als das ich in diesem Nichts zu schweben glaubte, nicht mein physischer Körper war, sondern nur ein Bewusstseinsecho mit Sinnesreflexionen, exorziert in eine Samsara -Zwischenwelt, einen metaphysischen Wartesaal, eine transzendente Müllhalde oder Gott weiß was.

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