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Horror Factory - Der Behüter(German Edition)

Horror Factory - Der Behüter(German Edition)

Titel: Horror Factory - Der Behüter(German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte S. Sembten
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gezeichnetes Gesicht war bleich wie Gebein und seine kurzen Haare grau meliert. Die fast farblosen Augen, die ausdrucksleer auf Alenka ruhten, glichen Eiswürfeln, die in einem Blue Daiquiri schwimmen.
    Alenka beobachtete, wie die Galeristin zum Ladeneingang stöckelte und absperrte.
    »Dort entlang«, sagte sie mit einem Wink, als sie zurückkehrte.
    Der Weißgekleidete ging voran. Er bewegte sich tatsächlich so leicht und lautlos wie ein Geist. Vielleicht berührten seine Sohlen noch nicht einmal den Boden.
    Der Büroraum war klein, edel ausgestattet und fensterlos. Überraschenderweise waren die Wände nackt, und auch sonst war nirgends ein Kunstgegenstand zu sehen. Von irgendwoher ertönte das dezente Surren einer Klimaanlage, die aber das penetrante Coco-Noir -Aroma und den Nikotinmief nicht ganz vertreiben konnte.
    Justine bot Alenka einen Stuhl an und nahm auf dem Drehsessel hinter dem Bürocomputer Platz. Sie schnappte sich das Zigarettenetui und das Feuerzeug, die auf der Schreibmatte lagen.
    Der Weißgekleidete stand unbeweglich neben der Tür.
    Alenka nickte in seine Richtung. »Ist das Ihr grimmiger Leibwächter?«
    Justine lächelte wissend. Statt etwas zu erwidern, schlug sie die Beine übereinander und zündete sich eine Zigarette an.
    »Der Tätowierer hat etwas von einem Ausdruck gesagt. Zeig her!«
    Alenka fummelte das zusammengefaltete, zerknitterte Blatt aus einer ihrer vielen Hosentaschen und reichte es über den Schreibtisch.
    Die Ältere betrachtete den Ausdruck. »Woher hast du das?«
    »Von einer Homepage, auf der ich eines Nachts beim Surfen zufällig gelandet bin. Von einer ›Kirche der Behüter‹. Da stand irgendwas von einem Sakrament, mit dem man angeblich Schutzengel dazu bringen kann, sich zu offenbaren. Das hat mich interessiert.«
    Die Galeristin blies den Rauch der Filterlosen durch Mund und Nase zugleich aus. »Du bist nicht etwa eine Hexerin unter den Hackern?«
    Alenka schüttelte den Kopf. »Ich bin schon froh, wenn ich den Einschaltknopf an meinem Rechner finde.«
    »Ich frage, weil eine solche Seite im World Wide Web gar nicht existiert. Diese Seiten sind nur in unserem geschlossenen Netzwerk zu finden. Im Intranet der Kirche. Da kommt kein Außenstehender rein.«
    Alenka nickte. »Ich hab die Seiten auch kein zweites Mal finden können. Sie ließen sich weder googeln noch in meinem Browserverlauf ausfindig machen. Wenn ich nicht den Ausdruck gehabt hätte, wäre mir die Sache wie bloße Einbildung vorgekommen.« 
    Justine Weiss starrte Alenka durch einen Nikotinnebel, der ihrer Lunge entwichen war und ihr schönes Haupt umwölkte, durchdringend an. Dann wedelte sie den Dunstschleier mit der Hand auseinander und sagte: »Das klingt ja wie ein Wunder … ein Zeichen. Vielleicht bist du eine Erwählte?« Die Worte wirkten ironisch. Aber Justines Tonfall, ihr Blick, ihre Miene waren vollkommen ernst. »Kommen wir auf meine Eingangsfrage zurück. Wer bist du? Und: Welches Interesse hegst du an Schutzengeln?«
    Alenka erwiderte die Musterung ihres Gegenübers. Justine war eine Naturschönheit, stellte sie fest. Dennoch war sie stark geschminkt.
    Die Frau hielt Alenkas Prüfung gelassen stand. Im harten Kunstlicht des Büroraums meinte Alenka verheilte Narben im Gesicht der Frau zu erkennen, die vom Make-up überdeckt wurden und die sie bisher nicht wahrgenommen hatte.
    Schließlich sagte sie zögerlich: »Diese Narben auf Ihrem Kinn und Ihren Wangen … Haben Sie dieses Ritual … das ›Sakrament‹ …?«
    »Ich habe es durchlaufen, ja. Aber der Teil des Sakraments, an den du jetzt denkst, hinterlässt keine Narben. Dazu sind die Einschnitte nicht tief genug. Je nach Wundheilungstyp bleiben gar keine oder nur geringfügige Spuren zurück. Die Narben, die du an mir siehst, habe ich davongetragen, nachdem ich aus dem achten Stock eines Hochhauses gesprungen bin.«
    Die Miene und der Tonfall der Galeristin waren noch immer vollkommen ernst. Dennoch starrte Alenka sie ungläubig an, als müssten sich unter dem perfekt sitzenden Zwirn grausam verrenkte Glieder und vorstehende Knochensplitter abzeichnen.
    »Sie müssten tot sein. Oder verkrüppelt.«
    »Ich habe einen tüchtigen Schutzengel.«
    »Glückwunsch!«, versetzte Alenka. »Meiner ist nämlich ein Versager.« Sie biss sich auf die Zunge und schwieg. Doch dann überwand sie sich. Sie erwähnte die Vergewaltigung und den Ausgang der Gerichtsverhandlung, kam zu den E-Mails und den Facebook-Fotos und berichtete zum Schluss

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