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Horror Factory - Glutherz

Horror Factory - Glutherz

Titel: Horror Factory - Glutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Seele?
    Hatte ich denn eine?
    Das Wort war mir einfach so in den Sinn gekommen, aber ich wusste gar nicht genau, was es bedeutete.
    Ich geriet ins Grübeln, während ich so dahinschwebte, und bemerkte erst viel zu spät, dass ich plötzlich wieder auf dem Dach des Theaters stand, dass das Häusermeer der Stadt erneut zu sehen war, ebenso die vielen Lichter der Laternen.
    Ich war allein hier oben. Ein leichter Wind erfasste mich und berührte mein Haar, als wolle er mich willkommen heißen. Offenbar hatte ich eine seltsame kleine Reise gemacht – wohin, wusste ich nicht. Die Kurbel stand still. Die Musik war verstummt. Ich brauchte sie nicht mehr.
    Wo war Doktor Wilhelmina?
    Von unten, von dem großen Platz her, drangen Geräusche herauf. Menschen redeten durcheinander. Vorsichtig ging ich an die Kante des Daches und sah hinunter.
    Mir bot sich ein erschreckender Anblick. Da standen Leute, die offenbar gerade aus dem Theater gekommen waren, um eine Gestalt herum, die verrenkt auf dem Pflaster lag.
    Ich erkannte die bräunliche Kleidung, den kurzen Rock. Es war Doktor Wilhelmina. Sie hatte die Arme ausgestreckt und rührte sich nicht. Oberhalb ihres Kopfes bedeckte eine große dunkle Fläche die Steine. Sie sah aus wie ein Schatten, aber irgendetwas in mir wusste, dass das kein Schatten war.
    Es war eine Blutlache.
    Doktor Wilhelmina war vom Dach gestürzt. Sie war tot.

4
    Ich weiß nicht, wie ich aus dem Theater hinauskam.
    Wahrscheinlich nahm ich die Treppe, über die ich auch auf das Dach gelangt war. Ich erinnere mich vage, dass unten in dem prachtvollen Foyer ein großes Durcheinander herrschte, dass Menschen umherliefen, dass mich niemand beachtete. Und ich glaube mich auch zu entsinnen, dass ich die offene Tür des Theatersaales bemerkte und hineinging. Alle Plätze waren leer, das Publikum geflohen, die Bühne dunkel.
    Ich schloss die Augen, atmete den Geruch nach Staub und Kerzenwachs ein und stellte mir vor, welche Atmosphäre hier herrschte, wenn es eine Vorstellung gab. Wenn Sänger und Sängerinnen in großen Opern auftraten, wenn Ballerinas ihre Tanzkünste zeigten. Eine seltsame Sehnsucht erfasste mich.
    Nur wenige Schritte trennten mich von der Bühne. Aber wahrscheinlich trennte mich ein ganzes Leben von dem Erlebnis, einmal dort aufzutreten. Später, dachte ich . Eines Tages wirst du auf so einer Theaterbühne stehen. Vielleicht.
    Ich wandte mich ab, ging hinaus, vorbei an den Neugierigen, die immer noch Doktor Wilhelminas Leiche umstanden. Jetzt waren Autos hinzugekommen. Die Welt war wieder feindlich, voller schrecklicher Gerüche, flackernder Lichter, Lärm und Geschrei. Es waren viele Menschen unterwegs, die mich aber nicht zu bemerken schienen. Ich hatte das Gefühl, durch sie hindurchzugehen.
*
    Mein Ziel war Doktor Wilhelminas Haus. Ich wollte wissen, was sie über Spalanzani herausgefunden hatte. Wo sein Labor war. Ich dachte nicht eine Sekunde daran, dass ich gar nicht wusste, wo sich Doktor Wilhelminas Haus befand. Ich war zu sehr mit dem beschäftigt, was mich umgab.
    Nicht nur die grellen beleuchteten Buchstaben irritierten mich, nicht nur die vielen Menschen, das ganze Heer der dahinrollenden Autos, der Gestank, den sie von sich gaben und der Lärm. Die Stadt selbst schien zu flackern, als würden sich mehrere Bilder übereinanderlegen, und das in unregelmäßigen Abständen.
    Es war immer dieselbe Stadt, es waren dieselben Straßen durch die ich wanderte. Aber in einer schnellen Folge von Wechseln wirkte meine Umgebung verträumt und vertraut – mit weich leuchtenden Laternen. Dann schlug alles um in die Szenerie von Doktor Wilhelminas Welt, und manchmal – erst nur in kurzen, aufblitzenden Bildern, doch dann immer länger und damit beängstigender – erschienen Szenen von grauenhaftem Schrecken. Die Häuser ragten als verbrannte Ruinen in den Himmel. Männer, staubbedeckt und mit runden Helmen auf dem Kopf, rannten zwischen monströsen Trümmern hindurch. Etwas krachte und röhrte. Erst konnte ich nicht erkennen, was das war, dann bäumte sich hinter einem Berg aus Schutt ein seltsames Wesen aus Stahl auf. Ketten rotierten links und rechts, mit denen es alles niederwalzte, und auf einmal krachte es ohrenbetäubend, und eine Flamme raste donnernd aus dem schmalen Rohr an seiner Vorderseite. Im selben Moment stürzte weit entfernt eine Ruine in sich zusammen, und alles versank im Staub.
    Ich rannte immer schneller, und immer schneller wechselten die Bilder. Irgendwann konnte ich

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