Horror Factory - Glutherz

Titel: Horror Factory - Glutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau

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nicht mehr. Schwer atmend blieb ich stehen. Da erkannte ich die Kieszufahrt zu Doktor Wilhelminas Haus.
    Mit letzter Kraft rannte ich an die Tür, klopfte, rief. Nathan musste doch zu Hause sein …
    Aber niemand antwortete.
    Rechts neben dem Eingang gab es einen kleinen Durchgang, der auf eine Rasenfläche führte, die von hohen Bäumen umstanden war. Nirgends im Haus brannte Licht.
    Die Fenster im Erdgeschoss lagen etwas erhöht, aber es gelang mir, an den unregelmäßig geformten Steinen, aus denen der Sockel der Villa gebaut war, so weit hinaufzuklettern, dass ich hineinsehen konnte.
    Drinnen war alles dunkel.
    Ich ließ mich zurück auf den Rasen fallen, fand am Rand zwischen den Bäumen einen Stein und warf damit die Scheibe ein. Kurz darauf war ich im Haus.
*
    Das Arbeitszimmer, in dem ich mich mit Doktor Wilhelmina unterhalten hatte, fand ich schnell. Das Feuer im Kamin war längst heruntergebrannt, und es gab kein Licht.
    Es dauerte eine Weile, bis ich dahinterkam, dass man an einer Schnur, die von der Schreibtischlampe in die Wand führte, auf einen Knopf drücken musste, damit es hell wurde.
    Sofort stürzte ich mich auf die Unterlagen, die immer noch auf dem Tisch lagen.
    Ich hatte meine Fähigkeit zu lesen nicht verloren. Es ging sogar noch schneller als in der Dachkammer, denn Doktor Wilhelmina hatte eine viel deutlichere Handschrift als Professor Spalanzani. Viele Blätter waren auch bedruckt. Ich setzte mich auf denselben Sessel wie bei meinem letzten Besuch. Ich las und las und schien das Gelesene aufzunehmen wie ein Schwamm das Wasser.
    Doktor Wilhelmina, so erfuhr ich, war eine Wissenschaftlerin, die sich mit Literatur, mit Geschichten aus der Vergangenheit befasste. Ihr Thema war dieser Hoffmann, der viele Geschichten geschrieben hatte – eine davon handelte von einer Frau namens Olympia, die ein Automat war, erschaffen von Professor Spalanzani.
    »Es gibt Hinweise«, schrieb Doktor Wilhelmina, »dass Hoffmann diese Geschichte nicht erfunden hat, sondern dass sie wahr ist. Gegen Ende seines Lebens hatte er wahrscheinlich vor, diese zu erweitern, sie anzureichern mit weiteren eigenen Erlebnissen …«
    Natürlich war die Geschichte wahr. Ich existierte ja schließlich, oder nicht?
    Aber Doktor Wilhelmina hatte nur von Hin weisen geschrieben. Nicht von Be weisen.
    Deswegen war sie so überrascht gewesen, als sie mich traf. Der Beweis, der ihr für ihre These gefehlt hatte, war ich! Deswegen war ich so wichtig für sie.
    Ich blätterte weiter.
    Doktor Wilhelmina hatte die Stadt, in der wir uns befanden, und die Berlin hieß, nach Spuren von Hoffmanns Geschichten abgesucht.
    Und sie hatte eine Theorie entwickelt, wo sich Spalanzanis Labor befand. Sie hatte die Stelle sogar auf einem Stadtplan eingetragen.
    Beim Weiterlesen erfuhr ich mehr über diesen Spalanzani. Doktor Wilhelmina war eine sehr logisch denkende Frau gewesen. So hatte sie die Erkenntnisse, die sie über Spalanzani besaß, einfach untereinandergeschrieben.
    Ich staunte, als ich das las. Denn mir wurde nicht nur einiges über diesen Professor klar, sondern ich erhielt auch so manche Erklärung.
    Spalanzani, den sie nur mit »Sp« abkürzte – mir fiel ein, dass er das selbst in seinen Handschriften auch getan hatte -, war ein Alchemist, ein Mechaniker, ein Uhrmacher, ein Chemiker.
    Sp hat uralte philosophische Schriften studiert, kennt die Zusammenhänge zwischen den Gesetzen der Musik und den Gesetzen des Kosmos, die von der Antike bis zum Mittelalter das Fundament der Weltanschauung bildeten.
    Sp erforschte die Melodien der Gregorianik und fand in alten Handschriften Tonfolgen, die den Kosmos beeinflussen können, und die deshalb lange unter Verschluss gehalten wurden. Er baute ein Musikinstrument, in dem diese Melodien gespeichert sind.
    Und bei dem Musikinstrument handelte es sich natürlich um nichts anderes als um meine Spieluhr.
    Und dann stieß ich auf etwas Seltsames:
    Es besteht die Vermutung, dass Sp eine Methode entdeckte, mit der man Zeitreisen unternehmen kann. Einige seiner Schriften weisen darauf hin, dass uralten Völkern diese Fähigkeit schon einmal bekannt war – und zwar durch Zeitreisende, die aus der Zukunft kamen. Sp könnte seine mechanischen und technischen Fähigkeiten durch solche Zeitreisen erlangt haben …
    Hatte mir Spalanzani die Fähigkeit, durch die Zeit zu reisen, mit eingebaut?
    Die seltsamen Bilder der Berliner Straßen, als ich hierher wanderte. Da hatten sich Zeiten oder Bilder von Zeiten