Horror-Horoskop
die Bottiche mit dem Blut abladen mußten.
Posallo trat zur Seite. Hier oben war er noch nie gewesen. Vor ihm wuchsen die hohen Mauern in die Höhe. Er sah die zahlreichen Fenster, die erst in einer gewissen Höhe begannen, denn hinter der großen Tür lagen die Vorrats-und Kellerräume. Dort hinein wurde auch das Tierblut geschafft.
Posallo, der durch die große Tür trat, hatte das Gefühl, in eine weite Gruft zu gehen. Es roch modrig. Kerzen und Fackeln verbreiteten ein nur spärliches Licht. Säcke und Kisten standen neben Gartengeräten, langen Flaschen oder Tonröhren, in denen Lebensmittel aufbewahrt wurden. Tiefer in der großen Vorratskammer roch es nach Schinken und fremdländischen Gewürzen.
Die Decke verlief über ihm in einem Halbbogen. Manchmal schaukelten auch Lampen unter ihr, und das Licht warf bizarre Schatten, die über die Wände huschten.
Der Bottich mit dem Blut war auf einen flachen Karren geladen worden, den mehrere Helfer zogen, und sie schafften ihn dorthin, wo keine Vorräte mehr lagerten. Da gab es eine Grube, in die das Blut hineingekippt wurde, und Posallo blieb kopfschüttelnd am Rand der Grube stehen. Sollte die Medici hier baden?
Nein, diese Frau stieg nicht aus ihren prunkvollen Gemächern in die Unterwelt hinab, um hier ein Blutbad zu nehmen. Das war alles nur Lüge gewesen.
Diese Gedanken schossen durch den Kopf des Schlachters, als der Bottich gekippt wurde und das Blut in das Becken floss, wo es träge schwappte und seinen so typischen Geruch absonderte. Posallo drehte sich um - und erschrak. Vor ihm stand sie. Die Medici!
Sie trug ein kostbares Gewand aus Brokat, das bis zum Boden reichte und ihre Gestalt von der Hüfte abwärts verdeckte. Dazu ein raffiniert geschnittenes Oberteil, das mit seinem übergroßen Ausschnitt einen Blickfang für interessierte Beobachter darstellte. Der Schlachter wurde bald blind, er spürte, wie seine Kehle anschwoll und er kein Wort mehr hervorbrachte. Das schwarze Haar der Medici war glatt gescheitelt und nach hinten gekämmt. Ihr im Kerzenschein trotzdem blass wirkendes Gesicht zeigte einen hochmütigen Ausdruck, der durch die nach unten gezogenen Mundwinkel noch verstärkt wurde.
»Wer bist du?« fragte sie.
Der Schlachter hatte sich endlich gefangen. Er verbeugte sich. »Ich heiße Posallo, große Fürstin. Ich bin der, der dir das Blut bringt, das du verlangst.«
»Ich verlange es nicht.«
»Aber ich muss es immer bringen, Fürstin.«
»Das stimmt.« Mehr sagte sie nicht, trat zur Seite und gab den Weg für einen Mann frei, der im Hintergrund gewartet hatte. »Reicht das für Euch aus, großer Nostradamus?«
»Es ist zuviel.«
»Schaut es Euch an.«
Die Gestalt trat vor. Der Mann trug einen flachen Hut, und sein Gesicht wurde von einem dunklen Bart eingerahmt. Die Augen waren übergroß, sie stachen ein wenig hervor, ebenso wie die lange Nase. Im Verhältnis zu ihr war der Mund ziemlich klein. Der Mann trug einen dunklen Mantel oder Umhang, der ihm bis zu den Knöcheln reichte.
Nostradamus!
Auch der Schlachter hatte den Namen schon gehört. Er wusste, dass er ein Mächtiger war, ein Magier und Zauberer, wie die Leute sagten. Andere wiederum sprachen von einem Wissenschaftler, der auch in die Zukunft sehen konnte und aus den Gestirnen das Schicksal der Menschen las. Und er benötigte das Blut, nicht die Medici.
»Es ist zuviel«, sagte er.
»Hast du gehört?« wurde der Schlachter gefragt.
»Ja.«
»Du brauchst also kein Blut mehr zu bringen. Und jetzt geh weg, bevor dir deine Fischaugen noch aus dem Kopf fallen…«
Einer der Leibwächter hatte gesprochen, und dieser Mann scheuchte Posallo auch dem Ausgang entgegen. Der Schlachter war froh, wieder auf seinen Wagen steigen zu können und abzufahren. Er hatte einen Blick auf die Medici und den sagenumwobenen Nostradamus erhaschen können, das hatte ihm gereicht. Zurück blieben die Medici und Nostradamus.
»Du willst es weihen, nicht wahr?« fragte die Frau.
»Ja, mit Blut.«
»Es hätte auch Menschenblut sein können!« flüsterte sie, doch Nostradamus schüttelte den Kopf. »Nein, in der Magie ist Tierblut ebenso gut.«
»Wie du willst.« Sie lachte leise. »Ich mag den Geruch nicht. Soll ich meinen Dienern sagen, dass sie das Blut in dein Labor schaffen sollen?«
»Das wäre gut.«
»Geh schon vor, ich werde später kommen, und ich werde mir dein großes Horoskop anschauen.«
Nostradamus nickte, drehte sich um und schritt den Weg zurück, den auch der Schlachter
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