Horror-Horoskop
erschien. Es war die Tiefe des Raumes, der Dimensionen, der Schnittpunkte zwischen Raum und Zeit oder Vergangenheit und Gegenwart.
Ich bekam den vollen Einblick in eine andere Zeit und hatte das Gefühl, als Engel über allem zu schweben. Die Konturen des Horoskops verflossen, andere schälten sich dafür hervor, nachdem sie das Unsichtbare verlassen hatten, und mir, John Sinclair, wurde durch die Aktivierung des Kreuzes ein Blick in die Jahrhunderte zurückliegende Vergangenheit gestattet. In eine Zeit, in der Nostradamus gelebt und gearbeitet hatte, so dass ich Zeuge wurde, wie sein Horror-Horoskop entstand…
***
In der Stadt war geschlachtet worden. Man hatte den Schweinen, Rindern und Schafen die Haut abgezogen und zum Trocknen aufgehängt, das Blut in Wannen und Trögen gesammelt. Immer wenn der Schlachttag anstand, erfüllte die Gassen ein besonderer Geruch. So süßlich, dampfend, irgendwie schwer wie Blei. Der Geruch von warmem Blut…
Die Stadt dampfte, und eine gnadenlose Sonne lag über der Toscana. Die Altstadt von Florenz erstickte fast im Geruch des warmen Blutes, und der Gestank würde auch wolkengleich gegen das hochherrschaftliche Schloss der Medici ziehen, wo Katharina, eine sehr schöne, wenn auch gefährliche Frau, hofhielt.
Wenn sie den Geruch wahrnahm, würde sie ihre Reiter in die Gassen schicken, damit sie das Blut in große Flaschen füllten, um es ihrer Herrin zu bringen. Man sprach davon, dass sie darin baden würde, denn Tierblut sollte ihr die Schönheit der Sonne verleihen. Ob es den Tatsachen entsprach, wusste niemand genau. Diejenigen Personen, die der schönen Katharina die Wanne füllten, waren stumm. Man hatte ihnen die Zungen aus den Mündern geschnitten.
Der Schlachter Posallo, ein überaus hässlicher Mensch, war ihr größter Blutlieferant. Er hielt das befleckte große Messer noch fest. In der anderen Hand trug er die Axt. Furchterregend sah er aus. Über und über mit Blut gesprenkelt. Seine Schürze war vollgesaugt, es klebte in den Haaren und rann an seinen nackten Armen entlang nach unten. Er trug hohe Stiefel und schaute seinen Gehilfen zu, die im Schweiße ihres Angesichts die großen Wannen auf die Wagen luden. Das große Tor des Schlachthauses war geöffnet worden, so dass die Wagen noch im Innern stehen konnten, die Pferde aber draußen warteten und von unzähligen Fliegen umschwirrt wurden, die vom süßlichen Geruch angelockt wurden.
Posallo war nicht zufrieden. Seine Leute arbeiteten ihm zu langsam. »Ihr faulen Hunde!« brüllte er plötzlich. »Ich bezahle euch nicht, damit ihr hier herumsteht. Wollt ihr die Peitsche spüren?«
Die beiden jungen, kräftigen Burschen, die aus den Bergen in die Stadt Florenz gekommen waren, duckten sich, als hätten sie schon jetzt Schläge bekommen. Sie strengten sich noch mehr an, um die schweren gefüllten Tröge auf die Ladefläche der beiden Wagen zu laden, damit das frische, dampfende Tierblut dort oben in die großen feststehenden Bottiche umgefüllt werden konnte. Posallo war zufrieden. An diesem Schlachttag war wieder eine Menge abgefallen. Die Herrscherin würde zufrieden sein. Er grinste, als er sich vorstellte, wie die Frau nackt in die Wanne stieg.
Da die beiden Helfer zu seiner Zufriedenheit arbeiteten, ging er nach draußen, wo in der Gasse die Fliegenschwärme summten, das Geschrei der Kinder groß war und der Wirt der kleinen Osteria vor seiner Tür stand und auf jemand wartete, der ihm Wein abkaufte.
Posallo ging zu ihm. »Ach, du alter Schlachter«, sagte der Wirt, als er den mit Blut beschmierten Mann sah. »Willst du zu mir in meine feine Osteria?«
Der Schlachter blieb stehen und lachte rauh. »In eine Stinkbude? Niemals.«
»Besser als in deine dampfende Hundeküche.«
»Ich habe keine Hunde geschlachtet.«
»Aber Katzen.«
»Ach, halt dein Lästermaul, Luigi! Hol mir einen Krug Wein. Vom besten Roten.«
»Und dann?«
»Werde ich den Krug vor deinen Augen aussaufen.« Posallo griff in die Tasche und warf dem anderen eine Münze zu. »Hier, du brauchst ihn mir auch nicht umsonst zu geben.«
»Das hatte ich auch nicht vor.« Der Wirt verschwand mit dem Geld, und Posallo lehnte sich an die Mauer, so dass die Sonne gegen ihn schien, er die Augen halb schloss und schläfrig wurde.
Die Vorstellung, eine entblößte Katharina von Medici zu sehen, wollte ihm nicht aus dem Kopf. Das war doch ein anderes Weib als die Huren vom Hafen oder seine eigene Ehefrau.
Dabei wusste er eine Möglichkeit, an
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