Horror-Horoskop
genommen hatte. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen, denn er hatte sein Ziel erreicht.
Das Horoskop war erstellt. Und zwar ein besonderes. Ein Horoskop für die Welt. All seine Erfahrungen, die er im Laufe der Jahre gesammelt und auch in seinem Buch verewigt hatte, waren auch bei seinem neuesten Werk verwendet worden. Wer dieses Horoskop richtig zu deuten wusste, der bekam nicht allein Macht über die Welt der Gegenwart, auch über die in der Zukunft, denn es sagte die Katastrophen voraus. Bis weit in das vierte Jahrtausend. Nostradamus spürte den kalten Schauer über seinen Rücken rinnen. Am liebsten wäre er gegangen, fort von ihr und weg aus diesem prächtigen Palazzo. Aber er wusste auch, dass er nirgendwo anders so gute Arbeitsbedingungen fand wie hier. Die Medici hatte ihn an ihren Hof geholt, wo er schalten und walten konnte.
Sogar das Blut hatte sie ihm besorgt. Mit Blut sollte sein Werk versiegelt werden, damit es nicht in die Hände Unwürdiger fiel. Wer es trotzdem irgendwann an sich riss, würde sich wundern.
Das alles wollte der große Nostradamus in den nächsten Tagen durchführen, zunächst war das Horoskop noch wichtig. Und natürlich die Frau, denn ihr Schicksal wollte er als erstes aus diesen Zeichen lesen. Deshalb würde sie ihn besuchen.
Nostradamus hatte das Schloss verlassen und schritt durch den duftenden Garten. Die Sonne stand hoch am Himmel. Zum Glück spendeten Palmen und Mandelbäume genügend Schatten. Vögel zirpten und zwitscherten. Er hörte das Lachen der Hofdamen, manchmal auch ihre hellen, quietschenden Stimmen, wenn sie von irgendwelchen Männern der Wache »gejagt« wurden.
Dieser Garten war zu einem Paradies des Lasters geworden. Hier vergnügten sich Männlein und Weiblein während der Nachtstunden oder an lauen Sommerabenden.
Die Medici hatte nichts dagegen. Sie selbst war eine sinnliche Frau und hatte sich auch schon Nostradamus mehr oder weniger offen angeboten, doch der Arzt und Magier hatte ihr bisher widerstanden. Seine Arbeit war ihm wichtiger, denn wem außer ihm war es schon gelungen, einen Blick hinter die normalen Grenzen der Welt zu werfen.
Zwei leicht bekleidete junge Mädchen kamen ihm entgegen. Sie erschraken, als sie den dunkel gekleideten Mann erblickten. Sie stoppten und liefen hastig in ein Gebüsch, wo sie bereits von zwei jungen Burschen erwartet wurden. Ihr erschrecktes Quietschen ging über in ein sanftes Schnurren, als sie in den Armen der Burschen lagen. Sitte und Moral verfielen an diesem Hof, aber darum kümmerte Nostradamus sich nicht, auch wenn er es nicht gutheißen konnte. Er betrat das Schloss. Ein Wächter öffnete ihm das kleine Tor, und die kühlen Gänge nahmen ihn auf. Nostradamus fühlte sich viel wohler. Er eilte zu seinen Räumen, wo er schon monatelang gearbeitet hatte und endlich der Vollendung entgegensah.
Katharina von Medici hatte ihm mehrere Arbeitsräume zugewiesen. Sie lagen in einem Trakt des Schlosses, wo sonst niemand hinkam. Im Reich der Düsternis, in den Kellern und Verliesen, denn dort gab es keine Fenster. Eine breite Treppe führte nach unten. Fackeln steckten in ehernen Haltern und warfen ihr zuckendes Licht auf die Stufen. Die sich anschließenden Gänge wurden ebenfalls vom Schein der Fackeln erhellt, und vor einer großen Holztür blieb Nostradamus kurz stehen. Nur die Medici und er besaßen für dieses Schloss Schlüssel. Die Tür schleifte über den Boden, als er sie aufdrückte. Hinter ihr lag sein Raum, beleuchtet vom Schein zahlreicher kleiner Kerzenräder, die unter der Decke hingen. An den Wänden brannte das Feuer in flachen Schalen. Durch ein Kaminloch in der Decke konnte der entstehende Rauch entweichen.
Das war sein Reich! Und hier stand auch sein Werk! Das Horoskop!
Es war ein Kunstwerk, denn Nostradamus hatte es nicht einfach geschrieben oder aufgezeichnet, sondern in eine Glasfläche eingearbeitet.
Die runde Fläche war eingebaut in einen Tisch, ebenfalls ein Schmuckstück handwerklicher Präzisionsarbeit. Bisher hatte der große Nostradamus dieses Horoskop noch nicht gefordert. Er hielt sich zurück, denn irgendwie spürte er, dass ihm damit eine Macht in die Hand gegeben worden war, die er nur schwer kontrollieren konnte. Er hatte geforscht, wissenschaftlich und auch magisch gearbeitet und dieses Horoskop für die Welt erstellt. Jetzt wollte er es nur noch versiegeln, und dazu brauchte er das Blut. Es würde gekocht und mit Pulvern versetzt werden, deren Wirkung nur er kannte, weil
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