Hostage - Entführt
Unter seiner Palm-Springs-Bräune sah er reichlich blass aus.
»Glen Howell hat angerufen. Er ist vor Ort und hat sich informiert – es ist unser Walter Smith.«
Tuzee wedelte mit den Händen durch die Luft und versuchte, den Beschwichtiger zu machen.
»Kein Grund zur Panik! Gehen wir die Sache in Ruhe Schritt für Schritt durch. Das FBI steht nicht vor der Tür.«
»Noch nicht.«
Und schon war Phil Tuzee kurz davor, sich in die Hose zu machen. Sonny legte ihm den Arm um die Schultern und drückte ihn kurz. Schließlich war er hier der Boss.
»Bis dahin haben wir noch zehn Minuten, vielleicht sogar fünfzehn – stimmt's, Phil?«
Tuzee lachte, und gleich waren alle gelassener. Logisch, dass sie noch immer beunruhigt waren – schließlich hatten sie ein echtes Problem an den Hacken. Aber die erste Panikblase war geplatzt. Jetzt konnten sie die Sache angehen.
»Gut«, sagte Benza. »Womit genau haben wir es eigentlich zu tun? Was hat Smith bei sich zu Hause?«
»Die Steuererklärungen sind fällig, Sonny. Wir müssen die Quartalsbilanzen unserer Firmen einreichen. Er hat die ganzen Unterlagen.«
Die Haarborsten auf Benzas Hinterkopf standen schlagartig senkrecht.
»Bist du sicher? Hat Glen die Disketten nicht abgeholt?«
»Er war gerade zu Smith unterwegs, da passierte dieser Mist. Als er ankam, war die Gegend abgeriegelt. Er sagt, Smith geht nicht ans Telefon. Du weißt ja, dass er das täte, wenn er könnte. Glen hat die Sache von ein paar Reportern erfahren. Drei Idioten sind in Smiths Haus eingedrungen, um sich vor den Bullen zu verstecken, und jetzt halten sie ihn und seine Familie als Geiseln. Unseren Walter Smith.«
»Und unser ganzer Steuerkram ist noch in seinem Haus?«
»Alles.«
Benza stierte auf die Fernsehbilder. Auf das Haus und auf die Polizisten, die hinter Sträuchern und Autos hockten und das Gebäude umstellt hatten.
Sonny Benzas legale Geschäfte umfassten sechzehn Kneipen, acht Restaurants, eine Cateringfirma für Filmproduktionen und 130 Quadratkilometer Weinberge im kalifornischen Landesinneren. Jedes dieser Unternehmen warf Gewinne ab, doch sie alle dienten darüber hinaus dazu, jedes Jahr 90 Millionen Dollar zu waschen, die Drogenhandel, Speditionsdiebstähle und die Ausfuhr gestohlener Autos und Baumaschinen eingebracht hatten. Es war Walter Smiths Job, falsche, aber plausibel anmutende Bilanzen für Sonnys legale Unternehmen zu erstellen, die Benza seinen ›echten‹ Steuerberatern vorlegte. Die reichten dann beim Finanzamt die entsprechenden Unterlagen ein, ohne zu wissen, dass die Daten, mit denen sie arbeiteten, manipuliert waren. Benza zahlte seine Steuern (wobei er abschrieb und absetzte, was nur irgend ging) und konnte das restliche Geld ungeniert auf die Bank legen, verpulvern oder investieren. Deshalb befanden sich die Bilanzen aller Unternehmen von Benza – der legalen wie der illegalen – bei Walter Smith.
Und zwar in seinem PC.
In seinem Haus.
Das von der Polizei umstellt war.
Sonny ging ans Panoramafenster, von wo er einen atemberaubenden Blick auf Palm Springs und die Wüste rund um die Stadt hatte. Eine wunderschöne Aussicht war das.
Phil Tuzee kam ihm hinterher und versuchte, Optimismus zu verbreiten.
»Mensch – das sind doch nur drei Halbstarke, Sonny. Die sind bald mürbe und geben auf. Smith weiß sich zu helfen – der versteckt das Zeug schon. Die drei Vorstadt-Rambos kommen bald raus, und die Bullen verhaften sie – das war's. Die haben doch gar keinen Grund, das Haus zu durchsuchen.«
Sonny hörte nicht zu. Er dachte an seinen Vater. Früher hatte Frank Sinatra mal in dieser Straße gewohnt. In einem Haus, das er eigens renoviert hatte, um JFK einzuladen. Sinatra hatte seine Villa für hunderttausende von Dollars aufgemotzt, um mit dem Präsidenten bei weltpolitischen Gesprächen die eine oder andere Nuttennummer am Pool zu schieben. Er hatte das ganze Geld in sein Liebesnest gesteckt, aber nachdem alles bezahlt und der Umbau erledigt war, ließ Kennedy ihn fallen und sagte seinen Besuch ab. Angeblich flippte Sinatra total aus, schoss auf die Wände, warf Möbel ins Schwimmbecken und schrie, er werde diesen Drecksack von US-Präsidenten abknallen lassen. Was hatte er denn erwartet? Dass Kennedy sich mit einem Mafia-Schnulzensänger verbrüderte? Sonny Benzas Anwesen lag weiter oben auf dem Hügel als Sinatras alte Villa. Und es war größer. Dennoch war Sonnys Vater von Sinatras Haus höllisch beeindruckt gewesen: Als er zum ersten
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