Hostage - Entführt
Mal hier oben bei seinem Sohn zu Besuch war, ging er den Hügel bis zur Villa des Sängers runter und starrte von der Straße aus auf das Haus, als gehe darin der Geist des Römischen Weltreichs um. »Dass ich dir das Steuer übergeben habe, Sonny«, hatte sein Vater damals gesagt, »war die beste Entscheidung meines Lebens. Du hast es wirklich weit gebracht – du lebst in der Nachbarschaft von Francis Albert.« Die Perser, die inzwischen in Sinatras Haus lebten, waren durch das Verhalten von Sonnys Vater so nervös geworden, dass sie die Polizei angerufen hatten.
»Sonny?«
Benza sah seinen Freund an. Tuzee hatte ihm immer am nächsten gestanden. Als Kinder waren sie unzertrennlich gewesen.
»Auf den Disketten sind doch nicht nur die Bilanzen, Phil. Da steht auch, woher wir das Geld bekommen, wie wir's waschen und wie viel davon an die Ostküsten-Mafia geht. Wenn die Bullen diese Dateien in die Finger kriegen, muss auch die Ostküste bluten.«
Phil Tuzee atmete lang, tief und vernehmlich aus. Das klang, als würde er gleich zusammenbrechen.
Sonny drehte sich wieder zu ihm und Salvetti um. Beide beobachteten ihn und erwarteten Anweisungen.
»Gut. Drei Halbstarke also. Die Bullen werden ihnen ein bisschen Zeit lassen, um sich zu beruhigen. Die drei werden begreifen, dass sie in der Falle sitzen und nur eine Möglichkeit haben – aufzugeben. In höchstens zwei Stunden kommen sie mit erhobenen Händen aus dem Haus, landen auf der Wache und machen ihre Aussage. Das war's.«
Hörte sich eigentlich ganz vernünftig an.
»Aber das ist der günstigste Fall – der schlimmste ist ein Blutbad, und danach gehen Polizisten ins Haus, um Beweismittel zu sichern, und kommen mit Smiths PC wieder raus. Und dann sitzen wir. Lebenslänglich.«
Er sah einen nach dem anderen an.
»Wenn wir unsere Verhaftung überhaupt erleben.«
Salvetti und Tuzee tauschten einen Blick, doch keiner von beiden sagte etwas dazu, denn sie wussten, dass das stimmte – die Ostküsten-Mafia würde sie umbringen.
»Vielleicht sollten wir sie warnen und Boss Castellano anrufen«, meinte Tuzee. »Das könnte ihren Zorn etwas dämpfen.«
Salvetti hob die Hände.
»Bloß nicht! Die rasten aus und fallen über uns her.«
Sonny sah das auch so.
»Sally hat Recht. Wir müssen das Smith-Problem schnell in den Griff bekommen und lösen, bevor die in Manhattan was mitkriegen.«
Sonny sah wieder auf die drei Fernseher und durchdachte die Situation. Lage kontrollieren, Gefahr abwehren, sagte er sich.
»Wer koordiniert eigentlich den Einsatz? Die Polizei von Los Angeles?«
Salvetti seufzte. Wie Phil Tuzee hatte er an der Universität von Südkalifornien Jura studiert, nachdem er in der Schulzeit Autos geklaut und mit Kokain gehandelt hatte. Er kannte sich im Straf- und Polizeirecht aus.
»Bristo ist eine Gemeinde im Bezirk Canyon Country. Die haben ihre eigene Polizei, etwa zehn, fünfzehn Leute – ein Pickel am dicken Hintern von Los Angeles.«
Tuzee schüttelte den Kopf.
»Das hilft uns nichts. Wenn die Polizei vor Ort mit der Lage nicht klarkommt, fordert sie die Sheriffs an. Vielleicht sogar das FBI – das fehlte uns gerade noch. So oder so: Wir werden es nicht nur mit ein paar Dorfbullen zu tun kriegen.«
»Stimmt, Phil, aber alles läuft über die Polizei von Bristo, weil es in deren Revier passiert. Die haben da einen eigenen Polizeichef. Es ist sein Tatort – selbst wenn er die Einsatzleitung abgibt.«
Sonny ging zu den Fernsehern. Eine Kamera zeigte das Haus von der Straße aus. Sonny hatte den Eindruck, hinter einem der Fenster habe sich jemand bewegt. Aber sicher war er sich nicht.
»Der Polizeichef – wie heißt der?«
Salvetti schaute kurz auf seine Notizen.
»Talley. Ich hab gesehen, wie er interviewt wurde.«
Die Kamera schwenkte jetzt und zeigte drei Polizisten, die hinter einem Streifenwagen kauerten. Einer davon wies auf die linke Seite des Hauses. Er schien Anweisungen zu geben. Sonny fragte sich, ob das Talley war.
»Schick unsere Leute hin. Wenn das FBI und die Sheriffs angefordert werden, will ich wissen, wer die Einsatzleiter sind. Und ob sie schon im OV-Bereich gearbeitet haben.«
Denn wenn sie Erfahrungen mit dem organisierten Verbrechen hatten, musste er vorsichtig sein, wen er einsetzte.
»Schon passiert, Sonny. Ich hab Leute losgeschickt. Alle mit weißer Weste – niemand, der wieder erkannt werden könnte.«
Benza nickte.
»Ich will alles über die Situation wissen. Und wer die drei Knallköpfe
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