Hostage - Entführt
Scham durchzuckten ihn.
»Machst du Überstunden?«
»Nicht sehr viele – zwei Abende die Woche.«
»Du siehst müde aus.«
»Und älter, hm?«
»Jane, bitte – so hab ich das nicht gemeint. Tut mir Leid.«
Sie schloss die Augen und nickte. Ihre Miene sagte deutlich: die alte Leier.
Um nicht weiter draußen rumzustehen, brachte Talley die beiden ins Haus. In der Küche roch es kräftig nach frischem Kaffee und Käse-Enchilladas. Mrs. Peña hatte krügeweise Wasser und jede Menge Cola- und Fantadosen hingestellt und bestand darauf, dass die Polizisten sich bedienten. Jetzt war sie am Kochen.
Talley machte Mrs. Peña mit Jane und Amanda bekannt und führte die beiden dann ins Wohnzimmer. Auf dem großen Bildschirm wurde live von den Ereignissen in York Estates berichtet. Amanda ging auf den Fernseher zu.
»Sarah hat gesagt, sie haben Geiseln.«
»Einen Vater und zwei Kinder. Wir vermuten, das sind alle, aber wir wissen's nicht genau. Eines der Kinder ist ein Mädchen. Etwa in deinem Alter.«
»Echt cool. Können wir uns das Haus ansehen?«
»Nein, das geht nicht.«
»Warum denn nicht? Du bist doch der Polizeichef.«
»Das ist eine Geiselnahme, Mandy«, sagte Jane. »Das ist gefährlich.«
Talley wandte sich an seine Frau.
»Ich hätte anrufen sollen, Jane. Diese Sache begann direkt nach unserem Gespräch. Dann ging alles so schnell, dass ich nicht mal daran gedacht habe. Tut mir Leid.«
Jane berührte ihn am Arm.
»Wie geht's dir denn?«
»Ich schätze, der Kerl gibt bald auf. Ich hab mit ihm telefoniert – er hat Angst, aber er ist nicht lebensmüde.«
»Ich hab nicht nach der Lage gefragt, Chief. Wie's dir geht, möchte ich wissen.«
Sie sah kurz auf ihre Hand, die auf seinem Arm lag, und schaute ihn dann wieder an.
»Du zitterst.«
Talley trat genau so weit zurück, dass ihre Hand von seinem Arm rutschte, und sah auf die Mattscheibe, wo Jorgenson zu sehen war, der hinter seinem Wagen kauerte.
»Die Sheriffs übernehmen den Einsatz, sobald sie da sind.«
»Sind sie aber nicht. Du bist da. Ich weiß, wie sehr dich das belastet.«
»Wenn sie da sind, sind sie da. Ich bin der Polizeichef, Jane. So ist das nun mal.«
Sie sah ihn an, wie sie es immer tat, wenn sie nach einer Bedeutung hinter seinen Worten suchte. Das hatte ihn früher zur Weißglut gebracht. Während Janes Miene ein Spiegel ihrer Gefühle war, war sein Gesicht glatt und ausdruckslos und verriet nichts. Sie hatte ihm oft vorgeworfen, eine Maske zu tragen, und er hatte ihr nie begreiflich machen können, dass es keine Maske war, sondern strenge Selbstkontrolle, die verhinderte, dass er in Stücke brach.
Er sah wieder weg. Es tat ihm weh, sie beunruhigt zu sehen.
»Na gut, Jeff. Ich mach mir nur Sorgen um dich – mehr nicht.«
Talley nickte.
»Ihr zwei solltet hier in der Gegend was essen, bevor ihr zurückfahrt. Später ist nicht mehr so viel Verkehr. Vielleicht beim Thailänder? Den magst du doch, oder?«
Jane dachte nach und nickte.
»Keine schlechte Idee. Warum sollen wir nach Hause hetzen?«
»Gut.«
»Ich will sie nicht einfach bei dir absetzen – dann hängt sie da nur allein rum. Ich schlage vor, Mandy und ich gehen was essen und warten dann in deinem Haus auf dich. Wir leihen uns ein Video aus. Wenn sich die Sache hier im Lauf des Abends erledigt, kannst du es dir mit Mandy morgen ansehen.«
Talley war verlegen. Er nickte, aber das war eine Ausflucht, denn er wusste nicht, was er sagen sollte. Ihm fiel auf, dass Janes Haar eine neue Farbe hatte. So lange er sich erinnern konnte, hatte sie es immer kastanienbraun gefärbt, doch jetzt war es tiefdunkelrot, beinahe schwarz. Und kürzer geschnitten war es auch, fast ein Bubikopf. Da begriff Talley, dass diese Frau etwas Besseres verdiente, als er ihr je würde geben können. Wenn sie und unser früheres Glück mir etwas bedeuten – so sagte er sich –, muss ich sie freigeben, damit sie nicht länger an einen Mann gebunden bleibt, dessen Herz gestorben ist.
»Wir müssen miteinander reden.«
Sie schwieg einen Moment und schaute einfach zu ihm hoch, bis ein schwaches Lächeln um ihre Mundwinkel trat. Er sah ihr an, dass sie Angst hatte.
»Na gut, Jeff.«
»Die Sheriffs sind bald da. Wenn sie in Stellung gegangen sind, überlass ich ihnen die Verhandlungen. Dann komm ich wahrscheinlich hier weg.«
Sie nickte.
Talley wollte es ihr dann sagen. Dass sie frei sei; dass er sie nicht länger zurückhalte; dass er endlich begriffen habe, er sei nicht mehr zu
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