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Hostage - Entführt

Titel: Hostage - Entführt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Crais Robert
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mit seinem Leiden zu beeindrucken.
    »Da ist heute Abend sehr viel los, aber ich schau mal, was ich tun kann. Was haben Sie denn?«
    Er nimmt die Hand aus dem rosafarbenen Eis. Die Innenseite seines Mittelfingers ist der Länge nach aufgerissen. Die Ränder der Fleischwunde sind von der Kälte blau, doch die Blutung hat fast aufgehört.
    Schwester Whitehall kneift mitfühlend die Augen zusammen.
    »Oha, das ist fies.«
    Talley nickt.
    »Ich hab in Venice einen mutmaßlichen Vergewaltiger in die Enge getrieben. Da hat er seinen Pitbull auf mich gehetzt. Ich hab Glück, dass die Hand noch dran ist.«
    Schwester Whitehall legt sie vorsichtig wieder ins Eis. Ihre Berührung fühlt sich freundlich und verbindlich an – wie ihr Blick.
    »Haben Sie ihn geschnappt?«
    »Ja. Er hat sich heftig gewehrt, aber ich hab ihn eingelocht. Mir entgeht keiner.«
    Er lächelt selbstironisch, und sie lächelt zurück. Das läuft ja prima, denkt er und will ihr schon sagen, dass er gerade seine Versetzung zum SEK bekommen hat, da schlurft Consuelo mit Cola light und Schokoriegeln um die Ecke. Er riecht nach Zigaretten, wie üblich.
    »Meine Güte, sitzt du immer noch hier? Wann wirst du endlich geröntgt?«
    Talley nimmt die Cola und hofft, dass Consuelo wieder zum Süßigkeitenautomaten verschwindet.
    »Da ist jede Menge los. Hock dich doch in die Cafeteria. Ich komm hin, wenn ich fertig bin.«
    Schwester Whitehall lächelt Consuelo freundlich an.
    »Ich seh mal nach, wie's beim Röntgen aussieht.«
    Consuelo stöhnt verärgert. Es nervt ihn, die ganze Zeit auf der Unfallstation rumzuhängen.
    »Wenn Sie schon unterwegs sind, bringen Sie für diesen Helden Pillen gegen Doofheit mit – Großpackung, hoch dosiert.«
    »Ich treff dich dann in der Cafeteria«, sagt Talley schnell.
    Schwester Whitehall legt den Kopf schief. Sie fragt sich offensichtlich, was Consuelo meint.
    »Waren Sie bei der Pitbull-Attacke dabei?«
    »Hat er Ihnen von einem Pitbull erzählt?«
    Talley spürt, wie ihm die Röte im Nacken hochkriecht. Er blickt Consuelo flehend in die Augen.
    »Ja, Consuelo war dabei, als wir den Vergewaltiger in Venice geschnappt haben.«
    Consuelo explodiert vor Lachen und spuckt dabei Erdnuss- und Karamellstückchen über die Trage.
    »Ein Vergewaltiger? Ein Pitbull? Von wegen, Ma'am! Dieser Trottel hat sich den Finger in der Autotür gequetscht.«
    Consuelo zieht glucksend vor Lachen ab.
    Talley möchte unter die Trage kriechen und im Boden versinken. Dann sieht er Schwester Whitehall an, die ihn mustert.
    Er zuckt die Achseln und versucht, einen Witz zu reißen.
    »Ich hab gedacht, es lohnt den Versuch.«
    »Haben Sie sich wirklich auf die Art verletzt? Hand in der Autotür?«
    »Nicht allzu heldenhaft, hm?«
    »Nein.«
    »Tja – dumm gelaufen.«
    Schwester Whitehall geht weg, bleibt nach drei Schritten stehen, kommt zurück und sieht ihn verwirrt an.
    »Ich muss verrückt sein.«
    Sie gibt ihm einen Kuss, obwohl zwei Ärzte und eine Schwester gerade aus dem Fahrstuhl kommen. Talley zieht sie an sich und küsst sie leidenschaftlich. So wie später nach Feierabend. So wie seitdem jeden Abend. Seit er ihre herzlichen Augen gesehen hat, ist Jeff Talley verliebt.
    Drei Monate und einen Tag später heiraten sie.
    Talley
    Talley war verlegen und über sich verärgert. Die Situation hatte ihn so in Beschlag genommen, dass er Jane und Amanda vergessen hatte. Er vergewisserte sich, dass im Akku noch genug Saft war, steckte sein Handy in die Tasche und ging zu ihnen.
    Amanda glich ihrer Mutter. Beide waren klein (die Tochter allerdings etwas größer) und schlank. Und sie hatten eines gemeinsam: ausdrucksstarke Gesichter, die ihre Gefühle deutlich zeigten. Talley hatte Janes Emotionen immer in ihren Zügen lesen können. Am Anfang, als sie sich gut gefühlt hatte, war das prima gewesen; gegen Ende aber hatten Schmerz und Verwirrung, die offen in ihrem Gesicht standen, seine Qualen noch verstärkt, die ihm ohnehin schon unerträglich waren.
    Talley gab seiner Tochter einen Kuss. Sie reagierte wie ein nasses Handtuch.
    »Sarah hat uns erzählt, dass sich bewaffnete Männer in einem Haus verschanzt haben. Wo denn?«
    Talley deutete in die Sackgasse.
    »Gleich um die Ecke beim Wendekreis. Siehst du die Hubschrauber?«
    Die waren so laut, dass man sich kaum verständigen konnte.
    Amanda blickte sich mit großen Augen aufgeregt um, während Janes Gesicht angespannt wirkte und dunkle Ringe hatte. Sie sieht müde aus, dachte Talley. Schuld und

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