hot directions (German Edition)
will ihn nicht leiden sehen! Im Gegenteil, ich will, dass er glücklich ist. Während ich darüber nachdenke, kuschelt Steven sich eng an mich und schläft ein. Mir bleibt nur, die Decke über uns zu ziehen und still zu liegen, die Gefühle und Gedanken außer Kontrolle.
Kapitel 10
Als ich wieder einigermaßen klar denken kann, liegt Steven auf der anderen Seite des Bettes und kuschelt sich an seine Decke. Umso besser, mir ist jetzt nicht nach Nähe. Ein Blick auf Timos Wecker sagt mir, dass es viertel vor fünf ist. Ich stehe auf, gehe in die Küche und brühe mir einen Tee auf. Dann setze ich mich an den Küchentisch und versuche, mein in Brüchen liegendes Gefühlsleben zu ordnen. Die Gefühle wieder zusammenzufügen, kann ich vergessen, zumindest für den Moment. Jedenfalls brauche ich Tee mit viel Zucker, um die Nerven zu beruhigen. Aus einer Tasse werden zwei, aus zweien drei und aus dreien eine ganze Kanne. Trotzdem bin ich nicht wirklich in der Lage, mich zu beruhigen. Wenigstens fließen jetzt keine Tränen mehr. Halten wir also fest: Ich bin seit Jahren nicht in der Lage, Gefühle zu empfinden, weil diese vor Jahren, an einem ganz bestimmten Tag, zu einem ganz bestimmten Anlass genommen, getreten und achtlos weggeworfen wurden. Ich muss dazu sagen, dass man mich in meinem Leben oft genug verletzt hat, und ich mich längst daran gewöhnt hatte. Das ist also nicht das Problem. Aber das, was Manfreds Vorgänger mit mir angestellt hat, grenzt an Mord. Nicht an meinem Körper, das hätte ich nie zugelassen - aber an meiner Seele. Übrigens: Zwischen Manfred und seinem Vorgänger lagen fast sechs Jahre, in denen ich mich zwecks Verdrängung in eine Luxusschlampe verwandelt habe. Ich habe es genossen, mich vögeln zu lassen wie ein krankes Tier, anstelle mich rechtzeitig zu wehren. Und ich hätte es gekonnt. Stattdessen habe ich es mir gefallen lassen, seelisch missbraucht und gequält zu werden.
Nun sitze ich in der Küche, kämpfe mit meinen Tränen und versuche, all dieses Wissen zu verdrängen - schnell. So sitze ich, bis Timo um halb sieben vom Dienst kommt. Als er mich mit übernächtigtem Blick in der Küche sitzen sieht, grinst er.
»Na, hat Stevie Dich bis eben wach gehalten?«
»Ja, aber nicht so, wie Du denkst. Er schläft seit Stunden. Dafür sitze ich hier und versuche, Ordnung in meine Gedanken zu bringen.« Timo schiebt einen Küchenstuhl hinter mich, setzt sich darauf und nimmt mich wortlos von hinten in den Arm. Ich lehne mich nach hinten und genieße die Berührung und den Schutz, der von ihr ausgeht. Mein Kopf findet seinen Platz in seiner Halsbeuge, und Timo haucht mir einen leichten Kuss auf die Stirn, was mich völlig verwirrt. Für wen von beiden soll ich jetzt Gefühle entwickeln? Für einen? Für beide? Für gar keinen? Für letzteres ist es zu spät, denn ich habe inzwischen für beide Gefühle. Fragt sich nur, für wen ich mehr empfinde - und wie ich es dem anderen erklären soll. Liebe ich Steven? Oder Timo? Oder beide? Oder bin ich einfach nur überarbeitet? Was mach ich denn, wenn ich mich jetzt verliebe - egal in wen - und meine Gefühle werden dann nicht erwidert? Ich muss es herausfinden.
»Warte hier, bitte.« Ich stehe auf und gehe ins Schlafzimmer, wo Steven selig schlummert. Ich bleibe neben dem Bett stehen und versuche, meine Gedanken und Gefühle für ihn zu sortieren. Als ich ihn in seiner Verletzlichkeit ansehe, stürmen meine Emotionen förmlich brüllend auf mich ein. Ich schüttele leicht den Kopf, um diesen frei zu machen, und gehe in die Küche zurück, wo Timo mich verwundert ansieht. Auch hier stürmen meine Emotionen in gleicher Intensität auf mich ein. So, als wären meine Gefühle für beide gleich. Außerdem begehre ich beide. Ich sags ja, ich bin kompliziert.
»Lass uns schlafen gehen«, schlage ich vor. Ich lege mich neben Steven und kuschele mich an ihn, lasse meinen Kopf auf seiner Schulter ruhen, während ich Timo im Arm halte. In dieser Stellung gelingt es mir endlich, auch einzuschlafen.
Kaum schlafe ich, träume ich wirres Zeug. Ich sehe einen großen schwarzen Fluss vor meinem geistigen Auge, auf dem ich mit einem Boot rudere. Am linken Ufer steht Timo, am rechten Steven, und meine Kraft reicht nur dazu, eine Seite zu erreichen. Ich verzweifele förmlich, weil ich nicht weiß, für welche Seite ich mich entscheiden soll, als plötzlich beide am Ufer verschwinden, und vor mir im Wasser wieder auftauchen - übereinander. Steven steht unten,
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