Hot Summer
nachempfunden waren: rotbraune Westen und weiße Hemden mit Fledermausärmeln. Heute trugen sie die normale Uniform der Parkmitarbeiter. Ich war enttäuscht.
„Wow! Paddlewheel Excursion. Die Fahrt habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gemacht.“ Ich verharrte am Eingang.
„Dann komm!“
„Wir müssen da nicht mitfahren. Es gibt genug andere Fahrgeschäfte.“
„Ja?“ Alex streckte die Hand aus. „Aber wir haben genug Zeit für alle.“
Die Fahrt war genauso kitschig und rührend, wie ich sie in Erinnerung hatte. Die Witze waren albern, aber wir lachten trotzdem, und die Fahrt war sehr gemütlich. Wir saßen auf der Rückbank, unsere Beine wurden auf der engen Bank aneinandergedrückt. Das Wasser im Kanal war schmutzig grün.
„Ich habe immer gedacht, sie laufen auf Schienen“, murmelte ich, als der Kapitän unseres Boots den Motor hochdrehte, um einer Sandbank auszuweichen.
„Als ich hier gearbeitet habe, hat es einer fast geschafft, eins von den Booten zu versenken.“
„Wirklich?“ Ich wandte mich zu Alex um. „Wie geht das denn?“
„Wenn man den Steg hart genug anfährt, kann man vermutlich in alles ein Loch reißen.“ Alex nickte zu dem Steg hinüber, auf dem zwei andere Kapitäne warteten, um das Boot festzuzurren, damit wir bequem aussteigen konnten.
Ich blickte ihm tief in die Augen. „Warst du das etwa?“
Einen Moment sah er mich verblüfft an, dann lachte er. „Nein. Ich habe die Toiletten geputzt.“
Meine Überraschung zeichnete sich wohl auf meinem Gesicht ab. „Ich habe immer gedacht …“
Amerika ist kein Ort, der sich mit einem Klassensystem wohlfühlt. Wir sind alle gleich, auch wenn wir es nicht sind. Niemand würde je laut zugeben, dass die Toilettenaufseher nicht so … sozial präsentabel waren wie die Leute, die die Fahrgeschäfte betreuten oder das Essen servierten.
Wir verließen das Boot. Ich dankte dem jungen Kapitän, der noch immer verlegen wirkte, nachdem er beinahe mit der Sandbank kollidiert wäre. Ich hörte, wie seine Freunde ihn aufzogen, als wir das Fahrgeschäft hinter uns ließen.
„Also gut, du hast die Toiletten geputzt. Wie lange?“
„Zwei Sommer. Dann bekam ich eine Vollzeitstelle.“
„Du hast hier ziemlich lange gearbeitet“, sagte ich.
„Bis ich einundzwanzig war. Dann traf ich in einem Club einen Typen, der Leute für seine Fabrik in Übersee suchte. Er hat mich in den Vertrieb gesteckt. Zwei Jahre später hatte ich mein eigenes Unternehmen.“
„Und jetzt“, neckte ich ihn, „bist du ein Trillionär.“
„Vom Kloputzer zum Emporkömmling“, sagte Alex. Er schien mit seinem Erfolg weder anzugeben, noch wollte er das Erreichte herunterspielen. „Von Scheiße zum schönen Schein.“
Ich hatte Durst und machte bei einer Bude halt, um zwei große, frisch zubereitete Limonaden zu kaufen. Das Getränk war kalt und herb, und es prickelte in meinem Mund. Es war köstlich, wie flüssiger Sommer.
James hatte mir erzählt, der große Streit mit Alex wäre in seinem letzten Jahr auf dem College gewesen, als sie beide einundzwanzig waren. Ich hatte daraus immer geschlossen, dass irgendwie auch Alkohol im Spiel gewesen war. Im betrunkenen Zustand waren schon viele Beziehungen geschmiedet worden und auch zerbrochen.
„Und seitdem bist du nie wieder hier gewesen?“, fragte ich.
Alex schüttelte das Eis in seinem Becher, bevor er trank. „Nein.“
Er hatte das Land mit einundzwanzig Jahren verlassen, weil ihn ein Typ einlud, den er in einem Club kennengelernt hatte. Und das alles passierte nach einer Auseinandersetzung mit seinem besten Freund, die so katastrophal war, dass keiner von ihnen seitdem über den Grund gesprochen hatte. Oder stellte ich Zusammenhänge her, die es gar nicht gab? Vielleicht war der Streit gar nicht weiter wichtig gewesen und alles andere nur Zufall, sodass keiner von beiden sich bemüßigt fühlte, darüber zu sprechen.
Ich stand kurz davor, ihn nach Details zu fragen, doch dann ließ ich es. Ihn zu bitten, die damaligen Geschehnisse näher auszuführen wäre gleichbedeutend mit einem Geständnis, nichts darüber zu wissen. Und welche Frau würde eine solche Geschichte über ihren Mann nicht kennen? Alex Kennedy war mir noch nicht vertraut genug, als dass es mir egal wäre, was er über meine Ehe dachte.
„Nun, wir sind froh, dass du jetzt hier bist.“ Es war das einzig Richtige, was ich in diesem Moment sagen konnte, dachte ich, aber er schenkte mir nur einen weiteren seiner typischen lässigen
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