Hot Summer
„Klar.“
„Wollen wir ein bisschen rausfahren? Wir können rüber zum Jachthafen segeln, vorbei am Park, in Bay Harbor zu Mittag essen … wir können einen Tag lang so tun, als wären wir Touristen. Was denkst du? Ich war schon seit hundert Jahren nicht mehr auf einer Achterbahn.“
„Ich weiß nicht, wie man segelt.“
„Anne.“ Er schaute mich unter erhobenen Augenbrauen an, fast schon ein bisschen anzüglich. „Ich weiß es aber.“
„Ich mag es nicht, zu segeln …“ Seine Blicke, die halb verführerisch, halb bittend und ein bisschen auch schmollend waren, ließen mich verstummen.
„Du magst es nicht, zu segeln?“ Erneut blickte er über das Wasser. „Du lebst an einem See und du magst es nicht, zu segeln.“
Es klang dämlich. „Nein.“
„Wirst du seekrank?“
„Nein.“
„Du kannst nicht schwimmen?“
„Ich kann schwimmen.“
Wir blickten einander an. IWahrscheinlich wartete er darauf, dass ich ihm sagte, warum ich nicht gerne segeln ging, aber da gab es nichts, das ich mit ihm teilen wollte. Nach einem Augenblick lächelte er erneut.
„Ich werde auf dich aufpassen. Mach dir keine Sorgen.“
„Bist du ein geübter Segler?“
Er lachte. „Ich werde nicht umsonst Kapitän Alex genannt, meinst du nicht?“
Das brachte auch mich zum Lachen. „Wer nennt dich Kapitän Alex?“
„Die Meerjungfrauen“, sagte er.
Ich schnaubte. „Ach so, ja klar.“
„Anne“, sagte Alex ernst. „Es wird schon nichts passieren.“
Ich zögerte erneut und blickte auf das Wasser, dann in den Himmel. Es war ein schöner Tag, und die wenigen Wolken waren weiße, flauschige Schäfchen. Stürme konnten schnell aufziehen, aber mit dem Segelboot war man in zwanzig Minuten am Jachthafen von Cedar Point auf der anderen Seite des Sees.
„Also gut.“
„Perfekt“, sagte Alex.
Eine Stunde später legten wir am Jachthafen an. Alex hatte sich tatsächlich als passabler Segler erwiesen. Ich war seit letztem Jahr nicht hier gewesen. Und wie jedes Jahr ließen frische Farben und neue Fahrgeschäfte das Alte in neuem Glanz erstrahlen.
Wir hatten Glück. Heute waren nicht allzu viele Leute unterwegs. Nur einige Busladungen mit Schulkindern, die schon früh gekommen waren, aber jetzt in Gruppen beisammenstanden und große Teile des Parks nicht bevölkerten.
„Ich habe gute Erinnerungen an diesen Ort“, sagte Alex, als wir eine Richtung wählten und den von Bäumen gesäumten Weg entlangschlenderten, der zum anderen Ende des Parks führte. „Hier hatte ich meinen ersten richtigen Job. Das erste eigene Geld. Und hier war auch der Ort, an dem ich das erste Mal das Gefühl hatte, ich könnte heil aus Sandusky herauskommen.“
„Und warum?“ Wir traten beiseite, um ein paar rennende Kinder vorbeizulassen.
„Weil ich wusste, dass es andere Orte gab, um dort zu arbeiten. Nicht nur den Park und die Automobilteile-Fabrik“, sagte er. „Im Park arbeiteten viele Leute vom College, und ihre Gespräche zu belauschen hat mich davon überzeugt, dass auch ich zum College gehen könnte. Sie redeten darüber, wo sie danach hingehen würden und was sie dort tun würden.“
Ich wusste bereits, dass er nie auf ein College gegangen war.
Er schaute mich an. „Allerdings bin ich nicht zum College gegangen.“
„Und jetzt bist du wieder hier.“ Ich versuchte nicht, mich als Klugscheißer aufzuspielen, sondern wollte nur auf einen interessanten Punkt hinweisen. Darauf, wie sich der Kreis jetzt schloss.
Er lachte. „Ja. Aber ich weiß immer noch, dass es mehr auf dieser Welt gibt als diesen Vergnügungspark. Trotzdem ist es manchmal auch gut, sich daran zu erinnern, dass es ein Zuhause gibt.“
„Du denkst immer noch an diesen Ort als dein Zuhause?“ Wir lenkten unsere Schritte in Richtung der einst größten, schnellsten und steilsten Achterbahn im Park, der Magnum XL-200. Auch heute war sie immer noch eine beeindruckende Konstruktion. Ich liebte es, ganz vorne mitzufahren.
„Irgendwo muss man sich ja zu Hause fühlen, oder?“
Die Warteschlange war nicht so lang wie im Sommer, wenn man manchmal stundenlang warten musste. Dennoch bewegte sie sich nur langsam vorwärts, sodass uns ausreichend Zeit blieb, uns zu unterhalten.
„Ich hatte nur das Gefühl, du wärst kein allzu großer Fan dieser Gegend, das ist alles.“ In stillem Einvernehmen gingen wir ganz nach vorne und stellten uns in die Reihe, wo der erste Wagen halten würde.
„Ich habe auch ein paar gute Erinnerungen.“ Er zuckte die
Weitere Kostenlose Bücher