Hotel der Sehnsucht
hatte, und sah an ihr herab, um sich davon zu überzeugen, dass sie halbwegs sicher auf den Beinen stand.
Doch der Anblick ihrer zarten blassen Schenkel und des seidigen roten Flaums dazwischen ließ es ratsam erscheinen, den Blick schnellstmöglich abzuwenden.
„Wir fahren in einer Stunde", ordnete er an, ohne Samanthas Antwort abzuwarten, und suchte seine Sachen zusammen. „Das müsste reichen, um zu duschen und zu packen."
„Müssen wir wirklich heute noch fahren?"
Der Tonfall der Frage ließ Andre herumfahren, und Samanthas trauriger Blick machte ihm schlagartig klar, wie viel Angst sie vor der Unsicherheit hatte, die sie erwartete.
Wahrscheinlich wäre es ihr das Liebste gewesen, er hätte sie ins Tremount zurückgebracht.
Dort hatte sie immerhin ein wenig Geborgenheit gefunden - so trügerisch sie auch gewesen sein mochte.
Doch Andre blieb keine andere Wahl, als darauf zu bestehen, dass sie nach London fuhren.
Und zwar heute noch. „Ja", lautete seine unmissverständliche Antwort. Je eher sich Samantha ihrer Vergangenheit stellte, desto eher würde sich auch ihre Zukunft entscheiden. Und zwar nicht nur Samanthas, sondern auch seine, Andres. Ob es allerdings auch eine gemeinsame Zukunft geben würde, blieb nach allem, was vorgefallen war, abzuwarten. Das würde sich erst entscheiden, wenn sie ihr Gedächtnis wieder gefunden hatte.
„Wenn ich nur wüsste, was mich in London erwartet", sagte Samantha leise, und ihr leidender Gesichtsausdruck schnitt Andre ins Herz.
„Was dich dort erwartet?" erwiderte er und küsste sie zärtlich auf die Stirn. „Dein Zuhause, Samantha", erklärte er ihr sanft. „ Unser Zuhause."
9. KAPITEL
Eine geschlagene Stunde waren sie schon unterwegs, und die Stille wurde nur durchbrochen, wenn Andre sich mal wieder über die Geschwindigkeitsbegrenzung auf englischen
Autobahnen, über einen der anderen Verkehrsteilnehmer oder über beides gleichzeitig aufregte und einen italienischen Fluch ausstieß.
Samantha hing unterdessen der Frage nach, warum Andre gegen ihren erklärten Willen darauf bestand, mit ihr nach London zu fahren. Denn die Antwort, dass dort ihr Zuhause sei, konnte sie nur bedingt zufrieden stellen. Sollte es stimmen, dann war es verständlich, dass er sie dorthin zurückbringen wollte. Um ihr Gedächtnis wieder zu finden, konnte es keinen besseren Ort geben.
Der Haken an der Sache war, dass sie nicht wusste, ob es stimmte. Dass daran immer noch Zweifel bestanden, hatte Andre sich selbst zuzuschreiben. Hartnäckig hatte er sich geweigert, Samantha einen plausiblen Grund für die überstürzte Abreise zu nennen.
„Was glaubst du denn, warum ich dich nach London bringen will?" Andre schien mal wieder ihre Gedanken erraten zu haben. Um sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen, wandte Samantha sich ab und blickte durch das Seitenfenster hinaus, als Andre erneut einen Anlass fand, laut vor sich hin zu fluchen.
„Wie kommt es eigentlich, dass du so gut Italienisch sprichst?" Dankbar ergriff Samantha die Gelegenheit, das Thema zu wechseln. „Das ist mir schon gestern aufgefallen, als du dich mit Nathan unterhalten hast."
„Mein Vater war Italiener", berichtete Andre, ohne sie anzusehen, weil er im selben Moment den schweren Wagen rasant beschleunigte und in einem gewagten Manöver die Spur wechselte.
„Und warum trägst du dann einen französischen Vornamen?"
„Weil meine Mutter Französin war", erklärte er und musste selbst über seine Antwort lachen. „Was nichts daran ändert, dass ich ein waschechter US-Amerikaner bin, geboren und aufgewachsen in ..."
„Philadelphia", beendete Samantha den Satz.
Wer von beiden mehr erschrak, war nicht genau auszumachen. Umso deutlicher
unterschieden sich die Folgen. Denn während Samantha stocksteif in ihrem Sitz saß, hatte Andre alle Mühe, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bringen, der gefährlich ins
Schlingern geraten war.
Als es ihm endlich gelang, machte er seiner Freude und Verwunderung Luft und sah
strahlend zu Samantha herüber. „Dass du dich ausgerechnet daran erinnerst!"
Doch ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, dass sie seine Freude nicht so recht zu teilen vermochte.
„Samantha, fehlt dir was?" fragte er besorgt und hielt krampfhaft nach einem Schild Ausschau, das eine Abfahrt oder wenigstens einen Parkplatz ankündigte. Er nahm eine Hand vom Steuer und reichte sie Samantha, die sie dankbar ergriff.
„Es geht schon", antwortete sie endlich, ohne sich selbst oder gar Andre
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