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Hotel der Sehnsucht

Hotel der Sehnsucht

Titel: Hotel der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Reid
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darüber hinwegtäuschen zu können, dass es eine glatte Lüge war. „Keine Sorge, ich fühle mich bestens."
    „Ich wünschte, ich könnte dasselbe von mir sagen", erwiderte Andre sarkastisch, als endlich ein Hinweisschild auf eine Raststätte auftauchte. Erleichtert brachte er die letzten Kilometer hinter sich.
    Als der Wagen auf dem Parkplatz stand und der Motor abgestellt war, öffnete Andre als Erstes ein Fenster. Samantha war noch immer erschreckend blass, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wenigstens halbwegs erholt hatte.
    „Es tut mir Leid, wenn ich dich erschreckt habe", sagte sie mit schwacher Stimme. „Die Erinnerung kam derartig überraschend ..."
    Andre beugte sich herüber und legte ihr einen Finger auf den Mund. „Du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen, Samantha", sagte er tröstend. „Es war ganz allein meine Schuld. Schließlich hat der Arzt mich ausdrücklich davor gewarnt, die Sprache auf die Vergangenheit zu bringen."
    Seine Worte taten Samantha so gut, dass sie mit den Tränen zu kämpfen hatte. Was Andre nicht verborgen blieb, denn unvermittelt stieg er aus dem Auto, und wenige Augenblicke später öffnete er die Beifahrertür. „Wie wär's mit einer kleinen Stärkung?" fragte er Samantha und reichte ihr den Arm, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. „Oder was denkst du, warum ich an einer Raststätte gehalten habe?"
    Eine halbe Stunde später saßen sie wieder im Auto und fuhren in die Abenddämmerung.
    Mit großer Genugtuung stellte Samantha fest, dass ihr die Pause gut getan hatte. Denn mittlerweile sah sie dem, was sie in London erwartete, nicht mehr gar so ängstlich entgegen.
    Wofür allerdings weniger der kleine Imbiss, sondern vielmehr das Verständnis
    verantwortlich war, mit dem Andre auf die Tatsache reagiert hatte, dass sich die ersten Bruchstücke der Vergangenheit einzustellen begannen.
    „Willst du mir nicht sagen, was es mit diesem Bressingham auf sich hat?" wiederholte sie die Frage, auf die er ihr noch eine Antwort schuldete.
    Weil Andre beharrlich schwieg, glaubte Samantha schon, erneut leer auszugehen, als er kurz zu ihr hinüberblickte. „Hast du eine Vermutung?"
    „Nicht die geringste."
    Wieder ließ Andre einige Zeit verstreichen, bis er endlich etwas erwiderte. „Das
    Bressingham ist ein Hotel."
    „Und weiter?" fragte Samantha nach, weil die Antwort alles andere als befriedigend war.
    „Gehört es auch dir?"
    „Es ist eins von sechs Hotels, die wir allein in London besitzen", teilte er ihr mit.
    „Habe ich dort gearbeitet?" fragte sie in Erinnerung an Andres Anspielung auf ihre Anstellung im Tremount. „Und dich dabei kennen gelernt?"
    „Genau", antwortete Andre extrem kurz angebunden.
    „Kein Wunder, dass Stefan Reece mich darauf angesprochen hat..."
    „Auch das noch!" rief Andre unvermittelt und zeigte zum wolkenverhangenen
    Abendhimmel. „Ich möchte nicht wissen, was sich da zusammenbraut."
    Kaum hatte er seinen Satz beendet, setzte ein Regen ein, für den das Wort Wolkenbruch fast zu harmlos war. Die Scheibenwischer kamen kaum gegen die Wassermassen an, so dass Andre sich ganz auf den Straßenverkehr konzentrieren musste. An eine Fortsetzung der Unterhaltung war nicht zu denken.
    So fuhren sie schweigend durch die Nacht, und das Trommeln des Regens, das monotone Geräusch des Scheibenwischers und die Heizung, die Andre aufgedreht hatte, damit die Scheiben nicht beschlugen, ließen Samantha schläfrig werden.
    Aus den Augenwinkeln beobachtete Andre, dass sich ihr Körper langsam entspannte, bis sie ganz offensichtlich eingeschlafen war. Was zu seiner eigenen Beruhigung erheblich beitrug. Denn ihre Frage nach dem Bressingham hatte ihn in große Verlegenheit gestürzt. Er wusste nicht zu sagen, wie er sich verhalten hätte, wenn ihm nicht der Regen zu Hilfe gekommen wäre.
    Klar war nur, dass er Samantha nicht die Wahrheit gesagt hätte. Noch nicht jedenfalls, und zwar nicht, um sie ihr vorzuenthalten, sondern weil sie ihr offensichtlich noch nicht wieder gewachsen war.
    Und selbst wenn sie sich der Wahrheit allmählich stellen wollte, gab es weniger brisante Punkte, an denen sie beginnen konnten. Es musste ja nicht ausgerechnet das Bressingham sein. Das gehörte eher zu den Themen, die zum Kern des Problems führten, mit dem sie sich herumschlugen.
    Als sie über die Kensington Road stadteinwärts fuhren, schlug Samantha plötzlich die Augen auf. Verwundert sah sie Andre an, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie begriff,

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