Hotel Galactic
heißen und feuchten Lippen kurz seine Wange berührten, dann taumelte sie davon. Nur noch einmal sah er ihr Brokatkleid zwischen den hohen Büschen aufleuchten. Kurz darauf ging eine Tür.
8.
Seit zwei Tagen stand das Telefon auf dem Tisch in der Empfangshalle, und die Abstellkammer war von Flachsbarth in ein winziges Büro verwandelt worden, wohin er sich abends zurückzog, um die Bücher zu vervollständigen. Die Fehde mit Miß Deerson war beigelegt; die alte Dame war sogar im Hotel geblieben, nachdem Grauls sich nicht mehr sehen ließ. Nach wie vor versuchte Miß Hayling, Flachsbarth mit ihren Reizen zu beeindrucken, doch er reagierte darauf nur so, wie es die Höflichkeit eines Hotelbesitzers gegenüber einem Gast verlangte. Celia Pragnell hielt sich dem Hotel weiterhin fern; ab und zu sah Flachsbarth sie auf ihrem antilopenähnlichen Tier zum Strand hinabreiten.
Flachsbarth hatte einen Neffen Varlies als Ersatz für Grauls eingestellt. Der junge Eingeborene war geschickter als Grauls, aber er nahm nur von Varlie Anordnungen entgegen und verstand keine Einheitssprache. Flachsbarth nahm diese Schwierigkeiten jedoch in Kauf, denn er war froh, überhaupt eine Hilfe bekommen zu haben.
Aus der Stadt kam die Nachricht, daß Rolsa Mutter von Zwillingen geworden war. Konsul Grant schickte eine Glückwunschkarte an den unfreiwilligen Vater und gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß alles so verlaufen würde, wie man es abgesprochen hatte.
Zu Flachsbarths Erleichterung blieben schlimme Zwischenfälle aus, und er begann zu hoffen, daß er das Hotel allmählich in den Griff bekam. Seine Zuversicht erhielt jedoch einen jähen Dämpfer, als eines Morgens Mr. Aldruss atemlos den Kiesweg vom Strand heraufgerannt kam und nach Flachsbarth rief.
Flachsbarth, der mit einem Farbtopf und mehreren Pinseln aus dem Aufenthaltsraum kam, stellte das Werkzeug ab und trat auf die Veranda hinaus.
»Kommen Sie mit zum See hinab«, sagte Aldruss. »Das müssen Sie sich ansehen!«
»Was ist denn passiert?« erkundigte sich Flachsbarth.
»Die Fische!« stieß Aldruss hervor. »Irgend etwas stimmt nicht mit den Fischen.«
Mehr war nicht aus ihm herauszubekommen. Aus der Ferne sah Flachsbarth, daß es auf der Wasseroberfläche vor dem Strand des Hotels ab und zu silbern aufblitzte. Gleich darauf erkannte er, wodurch dieser Effekt erzeugt wurde. Einige tausend Fische trieben tot auf der Oberfläche des Sees.
»So was habe ich noch nie erlebt«, bemerkte Mr. Aldruss. »Und ich komme schon seit vielen Jahren nach Cradi, um hier meinen Urlaub zu verbringen.«
Die toten Fische schienen ausschließlich vor dem Hotelstrand zu schwimmen. Weiter draußen und zu beiden Seiten der Bucht war das Wasser klar. Flachsbarth sah, daß die Gäste am Ufer standen und diskutierten.
»Sie müssen sofort etwas tun!« rief Ross Deegan, der zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern seinen Urlaub auf Cradi verbrachte, Flachsbarth entgegen. »Die Kinder können nicht ins Wasser, weil das Zeug herumschwimmt. Auch die Frauen ekeln sich davor. Bei der augenblicklichen Hitze werden die Fische bald zu stinken beginnen.«
»Hier handelt es sich doch zweifelsohne um ein Naturereignis«, entgegnete Flachsbarth. »Die Hotelführung ist daran unschuldig, wird aber alles tun, um die Sache in Ordnung zu bringen.« Er hatte sich diese Sprechweise den Gästen gegenüber angewöhnt, weil er festgestellt hatte, daß er mit den Menschen auf diese Weise am besten auskam.
»Da bin ich aber gespannt, was Sie tun wollen!« rief eine spöttische Männerstimme. »Wollen Sie die Fische einzeln rausholen?«
Flachsbarth ging ans Ufer. Er zog seine Schuhe aus und watete ein Stück in den See hinaus. Er hob einen Fisch hoch und untersuchte ihn. Er konnte an dem Tier nichts Ungewöhnliches feststellen. Dann sah er, daß das Wasser mit einem dünnen roten Film überzogen war. Er schöpfte eine Handvoll und roch daran.
»Jemand hat Chemikalien in den See geschüttet«, sagte er. »Hier in der Bucht hat das Wasser kaum Strömung oder Wellengang. Kein Wunder, daß die Fische eingehen.«
»Es werden immer mehr«, sagte Mr. Aldruss, der an Flachsbarths Seite kam. »Soviel tote Fische habe ich noch nie gesehen.«
Flachsbarth runzelte die Stirn. Sollte das bedeuten, daß die giftige Substanz weiterhin in den See floß? Wer war dafür verantwortlich?
»Ich werde mit den benachbarten Hotelbesitzern sprechen«, sagte Flachsbarth. »Vielleicht wissen sie eine Erklärung.«
Aldruss
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