Hotel in Flammen
hatte Isabel nichts verändert.
Jörg schüttete etwas Cola auf den
Boden.
Vorsichtig nahm er den Diamantring aus der
Tasche, den Einkaräter.
Friedhelm, der Juwelier — ein
durchtriebener Bursche — bot ihm 9000 DM dafür.
Also war der Ring mindestens das
Doppelte wert. Friedhelm hatte sich spezialisiert auf An- und Verkauf von Gold
und Geschmeide. Und er nahm auch Stücke, deren Herkunft im dunkeln lag.
Jörg schubste den Ring in einen Spalt
zwischen zwei Brettern. Mit dem Finger stocherte er nach. Lauthals begann er zu
fluchen, um dann plötzlich innezuhalten.
„Mutter!“ brüllte er. „Ich habe ihn.“
Isabel öffnete ihre Tür. „Was ist?
Schrei doch nicht so.“
„Hier!“ brüllte er. „Dein Ring. Hier im
Spalt. Ich habe Cola verschüttet. Wollte es aufwischen. Da sah ich ihn. Ein
Glück! Wir hätten ewig suchen können.“
Sie trat näher und sah zu, wie er den
Ring mit der großen Klinge seines Taschenmessers aus der Nut ( Vertiefung )
hervorholte.
„Ich glaube, ich bin überarbeitet“,
seufzte sie. „So fahrig war ich doch früher nicht. Wie kommt der Ring dahin?
Ist er mir runtergefallen? Eigentlich hätte ich das hören müssen.“
„Vielleicht hatte ich gerade meine
Stereo-Anlage aufgedreht“, meinte er. „Das übertönt.“
Sie nahm ihn und stutzte.
Der Ring fühlte sich warm an — als
hätte er auf einer Heizung gelegen oder an einem anderen warmen Ort.
Nachdenklich schob sie ihn auf den
Ringfinger.
*
Niemand hielt sich im Hallenbad auf.
Das Wasser schimmerte grün, was natürlich an den Kacheln lag. Durch die
Glasfront sah Tim in den Park. Laub und totes Gras war zu Haufen
zusammengeharkt. Die gepflegten Wege schimmerten kiesweiß. Schirmulmen, Birken
und Buchen warteten darauf, daß es wärmer wurde. Den Fichten war das egal. Sie
tragen ihr grünes Kleid ganzjährig.
Tim hatte seine Klamotten in einer
Herrenkabine untergebracht und steckte in der neuen Badehose, die wie
Ballonseide aussah, jedenfalls Glanzeffekt hatte.
Sein Handtuch hing über einer Liege.
Allmählich könnte Nadine Brenner sich
einstellen, dachte er.
Da kam sie auch schon.
Zuerst sah er nur einen rosefarbenen
Bademantel mit Kapuze. Das Mädchen hatte sich verhüllt von den Fußknöcheln bis
zur Nasenspitze.
Erst als sie sich näherte, streifte sie
die Kapuze ab. Offenbar war das als Überraschung gedacht. Denn zum Vorschein
kam ein ungewöhnlich hübsches Gesicht — ganz südländisch, mit dunklen Augen und
schwarzem Haar, das zu einem Zopf geflochten war. Den hatte sie aufgerollt und
hochgesteckt.
„Hallo, Tim!“ meinte sie. „Ich bin
Nadine. Eigentlich will ich gar nicht schwimmen lernen. Aber mein Daddy sagt,
das gehöre zur Allgemeinbildung, sozusagen. Ich muß.“
Sie gab ihm die Hand, deren Nägel
rotlackiert waren.
„Das verändert die Lage“, sagte er. „Wenn
man will, kann man auch. Mißerfolge stellen sich immer dann ein, wenn man nicht
will, sondern muß. Das reicht vom Schulzwang bis zur Tanzstunde, vom
Geigenunterricht bis zum Verwandtenbesuch. Könntest du vielleicht deine
Einstellung umkrempeln?“
„Du meinst, ich soll mich motivieren (anregen), Schwimmen zu lernen?“ Sie lächelte ihn an.
„Ohne das wird’s nichts.“
„Könntest du mir helfen dabei?“
„Ich versuche es. Weil ich nicht gern
blamiert bin. Dein Vater erwartet, daß ich aus dir eine Forelle mache. Und ich
habe den Mund ziemlich voll genommen. Konnte ja nicht ahnen, daß dir so wenig
daran liegt.“
Sie drehte den Kopf mal so, mal so — als
sollte er auch ihre Profile bewundern —, sah ihm aber unentwegt in die Augen.
Hm! dachte er. Sie scheint sich als
Hotelgast zu langweilen, hat wahrscheinlich dauernd ihre Eltern auf dem Hals.
Jetzt will sie eine Abwechslung aufreißen und macht aus dem Hundepaddeln ein
Seelendrama. Wenn das Dr. Brenner wüßte!
„Weshalb sollte mir was daran liegen?“
meinte sie — und streckte einen nackten Fuß zum Beckenrand.
„Na, stell dir vor, du fliegst mit
einem zweistrahligen Düsenclipper über den Atlantik. Dem Vogel geht die Puste
aus, will sagen: Die Triebwerke schalten auf null. Beide. Schon liegt der Jumbo
im Wasser. Dann, spätestens, würdest du’s bitter bereuen, wenn du keinen Meter
kraulen kannst.“
„Was?“
„Na, ist doch klar“, grinste er. „Die
einen gluckern ab. Die andern Passagiere schwimmen den Rest der Strecke.“
Sie lachte. „Das überzeugt mich
überhaupt nicht.“
„Schwimmen ist ein gesunder Sport,
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