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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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hätte ich zum Telefon gegriffen«, meinte Toni etwas pikiert. »Willst du uns nicht hereinbitten?«
    »Draußen ist es nämlich unangenehm kalt«, bestätigte Frau Klaasen-Knittelbeek, nun ebenfalls in den Lichtschein der Flurbeleuchtung tretend. »Aber die liebe Antonie hat sich nicht davon abhalten lassen, Ihnen noch persönlich eine gute Reise zu wünschen.«
    Das hatte die liebe Antonie zwar schon dreimal telefonisch getan und außerdem wäre Tinchen morgen früh sowieso noch vorbeigefahren, aber Toni war nun mal nicht davon abzubringen, daß Flugreisen ein größeres Risiko bedeuteten als jedes andere Verkehrsmittel. »Bei einem Absturz gibt es keine Überlebenschancen«, pflegte sie zu sagen, »deshalb sollte man immer vorher seine persönlichen Angelegenheiten noch in Ordnung bringen.« Aus diesem Grund wurde Tinchen auch jedesmal, wenn sich Frau Antonie länger als drei Tage von Oberkassel entfernte, daran erinnert, wo sie ihr Testament aufbewahrte und die Liste mit Daueraufträgen, die im Falle ihres Ablebens bei der Bank sofort storniert werden müßten.
    Nachdem die späten Besucher entgegen Tinchens Hoffnung, sie würden gleich wieder verschwinden, die Mäntel ausgezogen und vor dem Kamin Platz genommen hatten, erkundigte sie sich höflich, ob denn etwas zutrinken genehm sei.
    »Ein Glühwein wäre jetzt das Passende, nicht wahr, liebe Antonie?« sagte Frau Klaasen-Knittelbeek. »Bei dieser Kälte wirkt so etwas schon beinahe wie Medizin.«
    »Oder ein Grog«, ergänzte Frau Antonie, »aber Tee mit Rum würde auch genügen.«
    »Malventee?« fragte Tinchen mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Aber nein, Kind, der verträgt sich nicht mit Alkohol.«
    »Seit wann trinkt sie denn schwarzen?« murmelte Tinchen auf dem Weg zur Küche, wo sie lauter als nötig herumhantierte. Sie hatte gerade den Wasserkocher eingeschaltet, als ihr einfiel, daß der Rum alle und auch kein Rotwein mehr da war. Gleich nach Neujahr hatte Florian den Keller inspiziert und festgestellt, daß es gar nichts mehr zu inspizieren gab, jedenfalls nicht in der Ecke, wo normalerweise ein gut gefülltes Weinregal stand. »Dann muß eben der Kochwein ran!« entschied Tinchen, kippte den noch vorhandenen Rest aus der Flasche in einen Topf, warf zwei Zimtstangen, eine halbe Zitrone sowie ein paar Gewürznelken hinterher, und ließ alles kurz aufkochen, obwohl man das eigentlich nicht durfte, aber vielleicht kriegte die Brühe dann ein bißchen mehr Geschmack, hoffte sie, der Wein hatte nämlich keinen. Sie häufte Kandiszucker in zwei Teegläser und goß die kochendheiße Flüssigkeit darüber. Dann steckte sie je eine Zitronenscheibe an den Rand, stellte die Gläser auf das kleine Kupfertablett (ein Glück, daß Frau Klötzer erst kürzlich das ganze Metallzeug wieder mal geputzt hatte), den Teller mit den schon etwas weichgewordenen Spekulatius daneben und trug alles zusammen ins Zimmer. »Schneller ging's leider nicht, hoffentlich seid ihr nicht inzwischen eingeschlafen.«
    Davon konnte gar keine Rede sein. Die beiden Köpfe, der eine weiß, der andere aschblond, wie Frau Klaasen-Knittelbeek ihre an ausgebleichten Hanf erinnernde neue Haarfarbe bezeichnete, beugten sich gemeinsam über den Urlaubskatalog, in dem Tinchen vorhin noch geblättert hatte. »Ganz entzückend, diese Bungalows«, lobte Frau Antonie, »sogar mit Terrasse. Man muß sich also gar nicht immer an den Strand bemühen.«
    »Und dann diese Flora, liebe Antonie, sehen Sie doch nur die Blütenkaskaden an der Hauswand. So etwas wächst dort wie Unkraut.«
    »Das hier nicht, das kommt nämlich aus'm Blumentopf,« sagte Tinchen lakonisch und deutete auf die untere Ecke des Bildes, »Sie müssen bloß mal genauer hingucken! Außerdem ist das gar nicht unser Hotel, wir wohnen im Palmbeach Club.«
    »Das wissen wir ja, nicht wahr, Antoinette?« Frau Klaasen-Knittelbeek stupste die so Angeredete in die Seite und kicherte albern.
    »Wie? Äh-ja, natürlich wissen wir das, ich habe doch die Adresse«, bestätigte Frau Antonie glucksend, was in Tinchen den Verdacht erhärtete, daß ihre beiden Besucherinnen schon mehr als nur ein halbes Glas Glühwein gekippt haben mußten. Fragte sich nur, wo. Toni ging im Winter bei Dunkelheit selten aus dem Haus, und wenn, dann höchstens von der Tür bis zum Auto und umgekehrt, was also mochte sie bewogen haben, ausgerechnet heute abend herzukommen? Und das auch noch zu Fuß!?
    »Du kannst den Katalog gern mitnehmen«, drängte Tinchen, nachdem sie

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