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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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gestürmt, hatte die Tür aufgerissen, und dann war er hilflos stehengeblieben. »Leben sie noch?«
    »Das will ich doch stark hoffen«, sagte Tinchen, ihn zur Seite schiebend, »obwohl ich die Möglichkeit einer Alkoholvergiftung nicht ganz ausschließen kann. Mutti hat immerhin einen Glühwein, drei Gläser Sherry und einen Eßlöffel von Klostergeists Melissenfrau intus, während sich Frau Ka-Ka mehr an den Campari gehalten hat. Erst wollten sie nicht nach Hause, und als sie endlich doch wollten, konnten sie nicht mehr. Allein hätte ich sie aber nie ins Auto gekriegt. Die sind hinüber! Alle beide!«
    »Das würde ich allerdings auch so sehen!« Amüsiert betrachtete Florian das ungewohnte Stilleben. In der Sofaecke schnarchte Frau Klaasen-Knittelbeek, die Wolldecke bis zum Kinn hochgezogen, in F-Dur vor sich hin, während Frau Antonie im Sessel hing, in Ermangelung einer zweiten Decke Tinchens Wolljacke über ihre Beine gebreitet und sich obenherum mit ein paar Seiten vom Zeitspiegel zugedeckt hatte. Sie schnarchte in Moll.
    »Was machen wir denn jetzt mit ihnen? Wir können sie doch hier nicht so sitzen lassen.« Vorsichtig tippte Tinchen ihre Mutter an, doch die schnaufte nur unwillig, drehte den Kopf auf die andere Seite und schlief weiter.
    »So geht das nicht«, entschied Florian. »Toni würde sich nie verzeihen, wenn wir sie in diesem wenig präsentablen Zustand gesehen hätten, also ersparen wir ihr die vermeintliche Blamage.« Er schloß leise die Tür zum Flur und öffnete statt dessen die Schiebetür zum Eßzimmer. Dann holte er Tinchens Küchenradio, stellte den Apparat neben den Ficus, da gab es die einzige noch freie Steckdose, suchte nach einem Sender mit klassischer Musik und schob den Lautstärkeregler langsam hoch. Als die Fensterscheiben zu klirren begannen, verließ er das Zimmer und zog Tinchen mit sich in die Küche. »So, jetzt hoffe ich bloß, sie finden den Knopf zum Ausschalten selber!«
    Anscheinend hatten sie ihn gefunden! Es dauerte zwar geraume Zeit, doch dann polterte ein Stuhl, ein unterdrückter Schmerzensschrei war zu hören und schließlich Frau Antonies empörte Stimme: »Woher kommt denn plötzlich dieser infernalische Lärm?« Frau Klaasen-Knittelbeek äußerte in schrillem Diskant die Vermutung, er müsse von draußen kommen, möglicherweise sei ein Fenster offengeblieben, doch Frau Antonie schnitt ihr kurzerhand das Wort ab. »Seien Sie nicht albern, Dorothee, hier hat sich irgendwo ein Radio eingeschaltet, vermutlich mit einer Zeitschaltuhr, nur muß das jemand programmiert haben, – der hochgradig schwerhörig ist. Ich habe Ernestine schon vor Monaten gesagt, sie soll ihre Putzfrau mal zum Ohrenarzt schicken.« Den letzten Satz hörte Tinchen mehr als deutlich, denn Frau Antonie hatte das Radio gefunden und kurzerhand den Stecker herausgezogen.
    »Können wir jetzt …« fragte Tinchen mit einem Blick zur Küchentür, doch Florian schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Laß sie erst zur Toilette und vor einen Spiegel.«
    Wenige Minuten später klopfte es, und als Tinchen die Tür öffnete, traf sie ein vorwurfsvoller Blick. »Seid ihr eigentlich schwerhörig? Ich bin ja einiges von euch gewöhnt, aber findet ihr es nicht doch etwas unhöflich, uns einfach im Wohnzimmer sitzenzulassen, während ihr hier …«
    »Natürlich, Toni, du hast ja recht«, fiel ihr Florian ins Wort, »aber ich bin eben erst gekommen und habe einen Bärenhunger. Tinchen wollte mir gerade etwas zu essen machen.«
    »Um diese Zeit solltest du deinen Magen möglichst nicht mehr belasten.«
    »Du hast ja keine Ahnung, was der für Belastungen verträgt!«
    Während Tinchen planlos im Kühlschrank herumfuhrwerkte, schien Florian ein nahehegender Gedanke zu kommen: »Zehn Minuten dauert es doch bestimmt, bis das Essen fertig ist, dann kann ich ja vorher noch schnell unsere Besucher nach Hause fahren.« Was von den trotz oberflächlicher Korrekturen immer noch ziemlich derangiert aussehenden zwei Damen dankbar angenommen wurde.
    Als er zurückkam, stand Tinchen schon im Bad und putzte sich die Zähne. »Ha schie hoch hasch geschacht?«
    »Sprich deutsch, chinesisch kann ich nicht!«
    Sie spülte den Mund aus. »Ich wollte wissen, ob sie noch was gesagt haben.«
    »Außer ›gute Nacht‹ eigentlich nichts.« Er holte seinen Schlafanzug und begann sich auszuziehen. »Was haben die beiden überhaupt gewollt?«
    »Keine Ahnung«, sagte Tinchen nach kurzem Überlegen, »das haben sie glatt

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