Hotel Mama vorübergehend geschlossen
geeigneter Urlaubslektüre durchsah – die einen Experten empfahlen sogenannte leichte Kost zur Entspannung, die anderen plädierten für Anspruchsvolles, weil man doch jetzt genügend Zeit dafür habe, Tinchen entschied sich für einige Krimis und zu guter Letzt auch noch für den
Medicus,
reduzierte Florian den Kleiderstapel heimlich auf etwas über die Hälfte und alles andere auf ein Drittel. »Wozu brauchst du elf T-Shirts, fünf Blusen, drei Spitzenhemdchen, sechs Paar Shorts und drei Kleider?« empfing er Tinchen, als sie die Bücher vor ihm ablud. »Von dem ganzen Zubehör wie Gürtel, Tücher, Ketten und so weiter ganz zu schweigen. Und weshalb mußt du den halben Wäscheschrank mitnehmen? Wir benötigen weder Luftmatratzen noch Handtücher, denn Betten und vollständig ausgestattete Bäder sind im Reisepreis enthalten. Außerdem haben wir Vollpension, so daß sich die Mitnahme von Vollkornbrot und Landleberwurst ebenfalls erübrigt.« Er deutete auf die in Folie eingeschweißte Brotpackung und die beiden Dosen. »Was hast du dir bloß dabei gedacht, Tine?«
Die runzelte nur die Stirn. »Welche Spitzenhemdchen?«
Jetzt war es Florian, der etwas verwundert dreinschaute. »Ich rede gerade von Brot und Leberwurst!«
»Du hast gesagt, ich hätte drei Spitzenhemden eingepackt, dabei besitze ich gar keine.«
»Na schön, dann war's eben was anderes mit Gehäkeltem obendran, ist ja auch egal, jedenfalls reicht doch wohl eins davon. Bei 27 Grad braucht man nichts zum Drunterziehen.« Gewohnt, den Dingen auf den Grund zu gehen, begann Tinchen den Koffer wieder auszupacken. Verblüfft sah Florian zu. »Was soll das denn?«
»Ich suche die Spitzenhemden.«
»Tine, jetzt brauchst du aber wirklich eine Brille! Hier liegen sie doch! Obendrauf!« Vom Wäschestapel nahm er etwas kurzes Weißes mit Spitzeneinsatz und Spaghettiträgern herunter. »Ist das etwa kein Hemd?«
»Nein, das ist ein Top!« Zum Beweis dafür hielt sie sich das fragliche Kleidungsstück vor die Brust.
»Jawohl, es ist ein Top«, stimmte er zu. »Und wenn du mir jetzt noch den Unterschied erklärst, erkenne ich ihn vielleicht auch.«
»Ein Unterhemd darf man nicht, ein Top dagegen soll man sehen. Alles klar?«
Florian nickte ergeben. »Auch eine Möglichkeit, die sündhaft teuren Dessous an den Mann oder in diesem Fall wohl eher an die Frau zu bringen. Man deklariert sie einfach als Oberbekleidung, und schon rennt ihr alle damit rum!«
Tinchen wollte protestieren, doch da hatte Florian schon das Thema gewechselt. »Hast du für diese Notverpflegung auch eine plausible Erklärung?« Kopfschüttelnd griff er nach einer der zwei Dosen und hielt sie ins Licht. »Pfälzer Landleberwurst, hausgemacht«, las er vor, »die ißt du doch sonst nie!«
»Das ist gegen den Heißhunger, Flori, spätestens in der dritten Woche kommt der!« Sie nahm eine der geschmähten Wurstdosen in die Hand. Normalerweise würde sie so etwas wirklich nie kaufen, aber … »Weißt du nicht mehr, damals in Kenia, als uns das ewige Weißbrot und die immer gleichen, leicht gewellten Käsescheiben so zum Hals raushingen, daß du aus einer alten Illustrierten die Seite mit der Pumpernickel-Reklame rausgerissen, an den Spiegel gehängt und mit meinem Kajal
Noch fünf Tage bis zur Leberwurststulle
druntergeschrieben hast?«
Er lachte laut los. »Das ist acht Jahre her, Tine, inzwischen haben wir doch schon öfter ein paar schwarzbrotlose Wochen überlebt.«
»Stimmt«, bestätigte sie, »aber nur mit Abführpillen.« Dann entdeckte sie den von Florian zur Seite gelegten Kleiderstapel. »Fahren wir diesmal in ein Nudistencamp?«
»Nein, aber auch nicht ins Grand-Hotel. Es gibt weder Cocktailstunden noch Gala-Diners, und wie du mit acht Zentimeter hohen Absätzen durch den Sand staksen willst, würde ich zwar gern sehen, doch dazu werde ich leider keine Gelegenheit haben. Die Aschenputtelschuhe bleiben nämlich genauso hier wie zwei von den drei Kleidern, mindestens die Hälfte der T-Shirts – du kaufst dir doch sowieso wieder welche als Souvenirs –, und ein halbes Dutzend Shorts brauchst du auch nicht.«
»Also doch FKK!«
»Wieso? Die Badeanzüge kannst du selbstverständlich alle mitnehmen!« Damit verschwand er, um in der Redaktion seiner nominellen Urlaubsvertretung zum letztenmal alles das vorzukauen, was er ihr schon ein dutzendmal erklärt hatte. Moritz Weingart war ein Protegé vom Doppeldoktor, nach allgemeiner Ansicht strohdumm, jedoch der Sohn seines
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