Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Kanalschwimmerin.
Warum weigerte sich Florian eigentlich, einen eigenen Koffer mitzunehmen? Weil er zu faul war, ihn zu packen, ganz klar! Von wegen Übergepäck! Eine blöde Ausrede war das und nur dazu bestimmt, ihr die Schuld in die Schuhe zu schieben, wenn hinterher was fehlte. – Apropos Schuhe! Jetzt hätte sie doch beinahe die goldenen Sandalen vergessen! Florian hatte zwar empfohlen, überhaupt keine Schuhe mitzunehmen außer Badelatschen und denen, die man gezwungenermaßen während der Reise anziehen mußte, doch das kam natürlich nicht in Frage. Im Prospekt war auch von ›gelegentlichen Abendveranstaltungen‹ die Rede gewesen, und zu dem Cocktailkleid paßten nun mal nur die Riemchensandaletten. Außer den weißen Pumps, aber die drückten und hätten außerdem viel mehr Platz gebraucht. Die Slipper mußten auch noch mit wegen der Ausflüge, man will ja nicht nur am Strand liegen, sondern was von Land und Leuten sehen, aber nicht mit hohen Absätzen … Versuchsweise klappte Tinchen den Kofferdeckel herunter, mußte jedoch einsehen, daß er sich nie schließen lassen würde. Und noch immer standen und lagen Sachen herum, die unbedingt mitmußten. – Mußten sie wirklich? Wozu brauchte Florian zwei lange Hosen? Eine genügt doch für abends, außerdem hat jedes anständige Hotel eine Wäscherei. Und dann zwei Sweatshirts? So ein Unsinn! Auf Jamaika ist es tropisch warm, auch nachts, außerdem hatte sie für ihn zwei Hemden mit langen Ärmeln eingepackt, die sollten reichen, er fror doch sowieso nie. Drei Badehosen? Na ja, genehmigt, schließlich nahm sie selbst drei Badeanzüge und zwei Bikinis mit. Natürlich keine mit diesem hohen Beinausschnitt, obwohl sie sich die ohne weiteres noch hätte leisten können, das hatte sogar Frau Ka-Ka festgestellt, als sie Tinchen im letzten Sommer beim Sonnenbad im Garten überrascht hatte, aber die hatte irgendwann mal beschlossen, in Würde zu altern, was immer man darunter zu verstehen hatte. Auf keinen Fall graue Haare, schon wegen der notleidenden Friseurinnung nicht, und zehn Kilo Übergewicht mußten auch nicht sein, aber Minikleider kamen natürlich genausowenig in Frage wie diese schockfarbenen Kreationen, für die man eine Sonnenbrille brauchte. Tinchen bevorzugte das, was unter dem dehnbaren Begriff ›sportlich-elegant‹ angepriesen wurde, wobei die Eleganz häufig auf der Strecke blieb. Ein Seidentuch, lässig über einen Rollkragenpulli geschlungen, sah bei Ellen Hildebrandt totschick aus, bei ihr selber dagegen so, als hätte sie den Mantel ausgezogen und vergessen, den Schal abzunehmen. »Ich bin zehn Zentimeter zu klein«, hatte sie mal gejammert, »meine Größe ist völlig aus der Mode!«
Ein vierter vergeblicher Versuch, zweieinhalb Kubikmeter Masse in einen halb so großen Koffer zu quetschen, wurde von Florian unterbrochen. Vorsichtshalber steckte er nur den Kopf durch die Tür. »Packst du immer noch?«
Als Antwort flog ihm ein Paar zusammengerollte Socken entgegen. »Wozu brauchst du die? Ich denke, in Jamaika ist es warm?«
»Die sind für den Rückflug vorgesehen!«
»Die bleiben hier! Im Laufe von drei Wochen kannst du die Socken vom Hinflug ja mal waschen«, entschied Tinchen. »Waschpulver habe ich dabei.«
»Warum läßt du das nicht da und packst stattdessen die Socken ein? Die wiegen weniger.«
Sie ließ den Stapel Badetücher auf den Boden fallen und riß die Tür ganz auf. »Ich habe einen viel besseren Vorschlag: Pack du doch den Koffer!«
»Aber gerne. Du mußt mir nur sagen, was rein muß.«
»Na, alles, was du hier siehst.« Vage deutete sie auf das Durcheinander von Kleidungsstücken, Kosmetika, Fotozubehör und den anderen Dingen, ohne die ihr eine Urlaubsreise nicht denkbar schien. »Die Bücher fehlen aber noch, die Reiseapotheke, die Ersatzbrillen, Wecker, Maniküretui …«
»Tine, wir wandern nicht aus, wir verreisen bloß! Und da Jamaika circa zwei Millionen Einwohner hat, gibt es dort mit Sicherheit Geschäfte, in denen man eine Nagelfeile und notfalls auch Waschpulver kaufen kann.«
»Und von mir behauptest du immer, ich werfe das Geld zum Fenster raus!« empörte sie sich, »warum soll ich etwas kaufen, was ich schon habe? Ganz abgesehen davon, daß eine Nagelfeile nun wirklich nicht viel Platz braucht.«
Da gab er es auf. »Mit dir kann man einfach nicht diskutieren! Mach weiter, aber laß wenigstens die Möbel stehen!«
Während Tinchen den Stapel noch ungelesener Bücher in ihrem Zimmer nach
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