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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Anlageberaters und seit neuestem unter der Bezeichnung ›Volontär‹ beim ZEITSPIEGEL geparkt. Weil sich inzwischen jeder Redakteur weigerte, diesen intellektuell nicht eben flexiblen Mittzwanziger unter seine Fittiche zu nehmen, hatte man ihm in einen zur Zeit leerstehenden Büroraum einen PC gestellt, auf dem er abwechselnd an einem Drehbuch über die Invasion mutierender Regenwürmer schrieb und zwischendurch ein paar Sätze Tennis spielte, die er regelmäßig gegen den Computer verlor. Die Aussicht, drei Wochen lang Florians Stuhl besetzen zu dürfen, hatte Moritz jedoch so beflügelt, daß er ihm in den letzten Tagen kaum von der Seite gewichen war und sich laufend Notizen gemacht hatte. Der Doppeldoktor hatte das wohlwollend zur Kenntnis genommen. »Natürlich wird Herr Weingart keine selbständigen Entscheidungen treffen und erst recht keine eigenen Beiträge ins Blatt bringen können«, hatte er dem doch etwas beunruhigten Florian zugesichert. »Aber ich gehe davon aus, daß er an Ihrem Schreibtisch, also quasi am Schaltpult der Zeitung, allmählich ein Gefühl für den Journalismus bekommen wird.«
    So hatte Florian seinen Arbeitsplatz noch nie gesehen, zumal sich das Schaltpult auf die wenig benutzte Tastatur seines Computers beschränkte, aber Dr. Dr. Vandevelde liebte nun mal eine blumenreiche Sprache. Im übrigen würde sich Peter Gerlach um die täglich anfallenden Routinearbeiten kümmern, das hatte er Florian versprochen und ihm nur empfohlen, das unterste Schreibtischfach abzuschließen. »Von den Kreislauftropfen braucht dieser Grünspecht ja nichts zu wissen«, hatte er gesagt und gleich eine Dosis gefordert. »Wie schaffst du es eigentlich immer, den Whisky als Büromaterial zu deklarieren?«
    Während Florian dem eifrig mitschreibenden Moritz die verschiedenen Tasten und Funktionen des Telefons erklärte, was er auch schon gestern und vorgestern getan hatte, war es Tinchen endlich gelungen, die Reiseutensilien auf die von ihrem Mann genehmigte Menge zu reduzieren und den Koffer zu schließen. Und als die Tagesschau im Fernsehen begann, hatte sie unter Zuhilfenahme eines zweiten, allerdings wesentlich kleineren Koffers ihre Garderobe auf das ihr als Minimum erscheinende Volumen wieder aufgestockt, und nun war sogar genug Platz übriggeblieben, daß nicht nur Florians Socken, sondern auch noch seine zweite Hose hineinpaßten. Zufrieden klappte sie den Deckel vom kleinen Koffer zu und schob ihn hinter den Sessel. Wenn Florian aus der Redaktion nach Hause kam, würde er das Gepäckstück gar nicht bemerken, weil man ja meistens nur das sieht, was man zu sehen erwartet, na, und morgen blieb sowieso keine Zeit mehr für irgendwelche Änderungen.
    Der Mann vor der Wetterkarte prophezeite für die nächsten Tage Bewölkungsrückgang und milde Temperaturen, eine Prognose, mit der Tinchen keineswegs zufrieden war. Bekanntlich erhöht es den Urlaubsgenuß um ein Vielfaches, wenn man unter Palmen in der Sonne liegt und sich dabei ausmalt, wie die weniger Glücklichen zu Hause das Eis von den Autoscheiben kratzen müssen.
    Diese erfreulichen Vorstellungen wurden von einem energischen Klingeln unterbrochen. »Nein, nicht schon wieder Frau Knopp!« stöhnte Tinchen, während sie mit dem Fuß nach dem verschwundenen zweiten Hausschuh tastete, »man sollte sie … Ja doch, ich komme schon!« brüllte sie nach dem nochmaligen und wesentlich länger anhaltenden Läuten, gab die Suche nach dem Schuh auf und hüpfte auf einem Bein zur Tür. Immerhin war ihre Nachbarin im Laufe des Tages schon mehrmals aufgekreuzt, hatte Tinchen an den demnächst fälligen Besuch des Schornsteinfegers erinnert, den ja jemand ins Haus lassen müsse, hatte wissen wollen, wer sich um die Post kümmern würde, es sei doch bekannt, daß überquellende Briefkästen gleichbedeutend seien mit einer Einladung an Einbrecher, und wie das denn mit den Rolläden sei? Sie wäre selbstverständlich gern bereit, die Jalousien abends herabzulassen und morgens wieder hochzuziehen. »Schon allein wegen der Kälte!« hatte sie noch hinzugefügt und gar nicht verstehen können, daß Tinchen dieses Angebot rundheraus abgelehnt hatte. Was um alles in der Welt war dieser Nervensäge denn jetzt noch eingefallen? Mit einem Ruck riß Tinchen die Haustür auf. »Liebe Frau Knopp, ich weiß ja nicht … ach, du bist es bloß?« entfuhr es ihr, als sie ihre Mutter vor sich stehen sah, »so spät noch? Ist was passiert?«
    »Natürlich ist nichts passiert, sonst

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