Hotel Mama vorübergehend geschlossen
verschwiegen.«
Als sie aufwachte, war es draußen stockdunkel, aber das wollte ja nichts heißen. Im Januar wird es erstens überhaupt nicht hell, und zweitens frühestens um acht – vorausgesetzt, die Wolkenuntergrenze endet nicht wieder knapp über dem Dachfirst, so daß man den ganzen Tag über das Licht brennen lassen muß. Tinchen haßte diese langen, grauen Winterwochen, die nur selten mal durch ein paar Sonnenstrahlen aufgehellt wurden.
Aber heute war ihr das Wetter völlig egal. Bereits am Abend würde sie am Strand sitzen und zusehen, wie die Sonne im Meer versinkt. Dann war hier bereits Mitternacht oder sogar noch später. Diese Zeitverschiebung war schon eine merkwürdige Sache.
Tinchen blinzelte zur Uhr hinüber. Kurz nach fünf. Hm, einerseits ein bißchen zu früh zum Aufstehen, andererseits zu spät zum Wiedereinschlafen, und überhaupt war sie viel zu aufgeregt. So langsam fingen die Schmetterlinge im Bauch ja doch an zu kribbeln. Komisch, bei Florian kribbelten sie nie vor einer Reise, der schlief auch jetzt noch friedlich wie ein Säugling.
Sie drehte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Da gab es zwar absolut nichts zu sehen außer vielleicht ein paar Spinnweben an der Lampe – Frau Klötzer guckte leider nie nach oben! –, aber Tinchen hatte die Erfahrung gemacht, daß sie so am besten nachdenken konnte. Noch besser würde das allerdings gehen, wenn sie zwischendurch mal auf ihre Liste gucken könnte, doch die lag irgendwo unten. Aber was soll's? Statt hier herumzuhängen und darauf zu warten, daß sich um sechs der Radiowecker einschaltete, konnte sie auch aufstehen und wenigstens Kaffee kochen, wenn schon das Frühstück ausfallen sollte. Um halb neun mußten sie zum Einchecken am Flughafen sein, obwohl die Maschine erst zwei Stunden später starten würde, und weil sie sich ja irgendwie die Zeit bis zum Abflug vertreiben mußten, hatte Florian vorgeschlagen, in einem der Restaurants ausgiebig zu frühstücken. »Das ist genau der richtige Einstieg in den Urlaub!« hatte er behauptet und wieder mal nicht daran gedacht, daß es auch eine preiswertere Möglichkeit geben könnte: Eine Flasche Sekt aus dem Duty-free-Shop zum Beispiel statt diesem von Ausländern zu Recht so gefürchteten Continental breakfast, das doppelt so teuer sein würde, obwohl es nicht mal ein Ei dazu gab, der Kaffee meistens wie Tee aussah und im Geschmack irgendwo dazwischen lag … Außerdem wäre ein Sekt-Frühstück zum Urlaubsbeginn viel stilvoller, stimmungsfördernder sowieso, und wenn man das Frühstück ganz wegließe, auch billiger, fand Tinchen.
Leise krabbelte sie aus dem Bett, griff nach dem Bademantel und schlich erst aus dem Zimmer und dann die Treppe hinunter in die Küche. Als erstes schaltete sie das Radio an. Eine betont fröhliche Stimme verlas gerade die aktuellen Wetterdaten. »… Lorca leicht bewölkt, 16 bis 20 Grad, Kanarische Inseln bewölkt, 18 bis 22 Grad, Florida sonnig, 22 bis 25 Grad und auf den Malediven blauer Himmel und satte 30 Grad. Na, liebe Frühaufsteher, klingt das nicht geradezu verlockend?«
»Sehr komisch!« knurrte Tinchen vor sich hin, »ich möchte nicht wissen, wie viele Hörer dem Kerl jetzt am liebsten den Hals umdrehen würden. Würde ich normalerweise ja auch wollen!« Während sie Wasser und Kaffee in die Maschine füllte, überlegte sie angestrengt, wann und wo sie gestern zuletzt ihre Brille benutzt hatte, denn ohne Brille keine Liste. Und wo, zum Henker, hatte sie
die
liegenlassen?
Die Brille fand sich relativ schnell auf dem Küchentisch neben der Illustrierten mit dem Kreuzworträtsel. Was hatte Florian gesagt? Uhu? Blödsinn, ein Uhu gehört zu den Eulen und nicht zum Kasuar, was auch immer das für ein Vieh sein mochte. Und überhaupt war das jetzt völlig unwichtig. Sie packte die Zeitschrift zu den anderen Zeitungen in den Karton gleich neben der Kellertreppe. Der quoll auch schon über. Seit Tagen hatte Florian versprochen, endlich mal wieder zum Papiercontainer … aber wenn man nicht wirklich alles selber … Plötzlich hob Tinchen den Kopf. Was war das für ein Geräusch in der Küche? Als ob etwas plätscherte. Hatte sie wieder mal den Wasserhahn nicht richtig zugedreht? Sie spurtete zurück. Der Wasserhahn war's nicht, der tröpfelte bloß, doch was da in einem schönen braunen Rinnsal von der Arbeitsplatte auf den Fußboden platschte, hätte eigentlich in die Kaffeekanne laufen sollen. »Verdammte Schei …« Das hatte sie nun von ihrer
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