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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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gefunden haben könntest.« Er hatte auch gleich eine Idee.
    »Am besten bei Toni. Es wäre doch naheliegend, daß sie noch Sachen von ihrer Mutter besitzt und gar nichts mehr davon weiß. In diesem Schleiflackschrank auf dem Dachboden zum Beispiel. Der ist so groß, daß man da schon mal was übersehen kann.«
    Tinchen hatte seinen Optimismus gedämpft. »Erstens steht der Schrank nicht auf dem Boden, sondern in der Mansarde, und zweitens hat Toni ihre ganze« – hier nahm ihre Stimme den leidenden Tonfall ihrer Mutter an – »zur Zeit leider nicht der gängigen Mode entsprechende Garderobe« darin hängen. Und dann, in nüchternem Ton: »Also alles das, was ihr nicht mehr paßt.«
    »Das weiß doch Gisela nicht!«
    Er hatte sie schon fast überzeugt gehabt, doch dann war Tinchens Blick auf das Kabel gefallen, und sie war in schallendes Gelächter ausgebrochen. »Meine Oma benutzte immer ihre Bügeleisenschnur. Die war mit Stoff umwickelt und hatte auf der einen Seite einen speziellen Stecker, den man über die Kontakte vom Toaster schieben mußte. Dann war da noch ein kleiner Knopf, mit dem man das Gerät ein- und ausschalten konnte. Das Bügeleisen übrigens auch, denn Temperaturregler gab's damals genausowenig wie Plastikkabel und festverschweißte Stecker.« Immer noch lachend hatte sie ihm die dünne weiße Zuleitung vor's Gesicht gehalten. »So weltfremd ist nicht mal Gisela! Normalerweise rechnet sie zwar in Jahrtausenden, aber trotzdem wirst du sie kaum davon überzeugen können daß zwei Meter Plastikstrippe dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zuzuordnen sind.«
    Und damit war die Antiquität wieder zu dem geworden, was sie von Anfang an war: Ein sehr unpraktischer Haushaltsgegenstand, der bestenfalls als nostalgisch gelten konnte, doch seitdem sich Tinchen schon zweimal die Finger verbrannt hatte, weil sich die verklemmte Brotscheibe nicht von allein umdrehen wollte, billigte sie dem Gerät nicht einmal mehr diesen Status zu. Sie hatte vielmehr beschlossen, gleich im Januar, wenn es überall die
Haushaltswoche
genannten preiswerten Angebote gab, einen neuen zu kaufen und es bis dahin Florian zu überlassen, jedesmal die verkohlten Brotreste aus dem Individualistentoaster herauszukratzen.
    Im Augenblick schabte
sie
allerdings die schwarze Kruste von ihrer Brotscheibe, bestrich den dünnen Rest mit Butter, ließ Honig drübertröpfeln und biß dann herzhaft hinein.
    »Allein beim Zusehen tun mir schon die Zähne weh!«
    »Dann geh endlich zum Zahnarzt!« sagte sie ungerührt, denn sie hatte es schon lange aufgegeben, ihren Mann von den Vorteilen regelmäßiger Kontrollbesuche zu überzeugen.
    »Ich habe ja nicht gesagt,
daß
mir etwas wehtut, sondern daß mir wahrscheinlich etwas wehtun
würde,
wenn ich … Ach, lassen wir das«, unterbrach er sich selber, »willst du noch Toast?«
    »Danke nein.« Sie schob die schwarzen Krümel auf ihrem Teller zu einem Häufchen zusammen. »Meinst du nicht auch, daß es eine preiswertere Methode zur Herstellung von Holzkohle gibt?«
    »Doch, aber Handarbeit war schon immer teurer …«
    Es klopfte leise, dann öffnete sich die Tür einen Spaltbreit, und ein verstrubbelter Kopf lugte hindurch. »Guten Morgen, darf ich reinkommen?«
    »Natürlich darfst du«, sagte Tinchen herzlich. Sie deutete auf den Stuhl neben sich. »Wir haben zwar schon gefrühstückt, aber wir leisten dir noch gerne Gesellschaft. Heute ist nämlich Gammeltag, dafür wird's morgen ziemlich hektisch werden. Trinkst du schon Kaffee oder noch Kakao?«
    »Am liebsten Tomatensaft.«
    »Doch nicht morgens um zehn?!«
    »Immer!« bestätigte Björn grinsend. »Aber wenn du keinen hast, trinke ich auch was anderes. Notfalls sogar Pfefferminztee. Man gewöhnt sich ja an alles.«
    Während Tinchen den halben Kühlschrank ausräumte und von Diätmargarine – sie konnte ja nicht wissen, ob auch männliche Teenager dem in diesem Alter bei Mädchen ausbrechenden Schlankheitswahn unterliegen – bis zu Räucheraal alles auf dem Tisch aufbaute, was ihr für den Magen eines normal veranlagten Fünfzehnjährigen angebracht erschien, verfolgte Florian schweigend die rasche Vergrößerung des bis dahin recht spartanischen Angebots. Drei Scheibchen Salami hatte Tinchen ihm zugebilligt und eine Scheibe bereits leicht gewellten Gouda, mehr nicht, und jetzt standen plötzlich vier verschiedene Sorten Käse auf dem Tisch, Schinken, Cocktailwürstchen, vermutlich von gestern übriggeblieben, und dieser herrliche

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