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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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schnell. Unter Mißachtung des Bankgeheimnisses gewährte der Herr Direktor seinem Klubkameraden Hermann Klaasen Einsicht in die gesamten Unterlagen betr. die Konten seiner Tochter Herta Dorothee. Schon vierundzwanzig Stunden später saß Rechtsanwalt Werding – den akademischen Titel hatte er sich eigenmächtig zugelegt – in Untersuchungshaft, während das Bankhaus Winterfeld & Co. bemüht war, wenigstens einen Teil der veruntreuten Gelder wiederzubeschaffen. Der Herr Anwalt hatte nicht nur die Villa sowie den größten Teil der Möbel veräußert, sondern darüber hinaus schon eine namhafte Anzahlung für den geplanten Verkauf der Schrotthandlung erhalten. Zumindest dieses Geld und der Erlös aus dem endgültigen Verkauf blieben Dorothee. Zusammen mit dem, was sie noch hatte, genügte es für ein einigermaßen sorgloses Dasein, zumal ihr nach dem Ableben ihres Vaters noch ein beträchtliches Erbteil in Aussicht stand. Zwei Tage nach ihrem 48. Geburtstag lebte er dann auch wirklich ab und enthob sie der Notwendigkeit, den Heiratsantrag des verwitweten Speditionskaufmannes Eduard Meisenhölder annehmen zu müssen. Frau Klaasen-Knittelbeek hatte nämlich kurz vor der Pleite gestanden!
    Dank der ererbten Aktien, Pfandbriefe, Anleihen und nicht zuletzt wegen der Eigentumswohnung in Krefeld, von der niemand in der Familie etwas gewußt hatte (»Was, um alles in der Welt, hat Hermann mit einer Wohnung da unten gewollt?« hatte Onkel Wilhelm nach der Testamentseröffnung gerätselt.), war Dorothee versorgt und konnte wieder ihrer Leidenschaft frönen: dem Reisen. Denn Krefeld war nun wirklich nicht der Nabel der Welt! Sicher, die Wohnung war komfortabel, die große Dachterrasse ein unerwarteter Luxus, und beides kostete sie kein Geld, aber jedesmal, wenn sie sich mit ihrem kleinen Fiat in das Düsseldorfer Verkehrsgewühl stürzen mußte, weil man nur dort die richtigen Schuhgeschäfte fand und die Modeboutiquen, die den Ansprüchen einer gutbetuchten, leider schon reiferen Frau genügten, beneidete sie die Bewohner der Landeshauptstadt. Sie konnten jederzeit einen Schaufensterbummel machen, ins Theater gehen oder auch nur für ein Stündchen in einem der eleganten Cafés sitzen, ohne vorher endlos lange nach einer Parkmöglichkeit suchen zu müssen. Sie stiegen einfach in die Straßenbahn und waren wenig später zu Hause.
    Natürlich hatte sie schon einen Umzug nach Düsseldorf erwogen, doch Wohnungen in den von ihr bevorzugten Stadtteilen waren erstens fast unbezahlbar und zweitens erst gar nicht zu kriegen. Deshalb hatte sie auf dem Schiff auch gleich nach einer Möglichkeit gesucht, die Bekanntschaft wenigstens einer dieser vier Canasta-Damen zu machen. Offenbar lebten sie alle in Düsseldorf, waren nicht mehr die Jüngsten, und wer jahrzehntelang in derselben Stadt wohnt, kennt auch eine Menge Leute.
    Auf einem Flußdampfer kann man sich kaum aus dem Weg gehen, dazu ist er einfach zu klein. So war es Frau Klaasen-Knittelbeek auch nicht schwergefallen, Frau Antonie ein bißchen im Auge zu behalten, und nachdem sie ihr potentielles Opfer mit einer Handvoll Ansichtskarten aus der Schiffsboutique hatte kommen sehen, ahnte sie, wo sie sie während der nächsten halben Stunde finden würde. Bewaffnet mit ebenfalls zwei Karten, von denen sie nicht einmal wußte, wem sie die schicken könnte, trabte sie ins Lesezimmer. Dort gab es neben einigen Regalen mit zum Teil schon reichlich zerlesenen Büchern, überwiegend Hinterlassenschaften früherer Passagiere, auch zwei Schreibtische. An einem saß Frau Antonie, den anderen steuerte Frau Klaasen-Knittelbeek an. Eine Zeitlang hörte man nur das leise Kratzen von Frau Antonies Füllfederhalter – sie benutzte niemals einen Kugelschreiber –, dann endlich hatte Frau Klaasen-Knittelbeek einen Anknüpfungspunkt gefunden. »Entschuldigen Sie bitte, aber wissen Sie vielleicht, welche Briefmarken für Karten nach Deutschland benötigt werden?«
    »Achtzig Pfennig«, sagte Frau Antonie, denn sie hatte sich in der Boutique danach erkundigt.
    »Das ist mir bekannt«, gab Frau Klaasen-Knittelbeek mit einem liebenswürdigen Lächeln zurück, »ich hatte auch in erster Linie an die Währung gedacht. Befinden wir uns noch in Österreich oder schon in Ungarn?«
    Daran hatte nun wiederum Frau Antonie nicht gedacht. »Das beste wird sein, wir stecken die Karten erst wieder in Deutschland in einen Briefkasten.«
    »Da haben Sie recht«, sagte Frau Klaasen-Knittelbeek. Dann schwieg sie, weil

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