Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Vorschlag?«
Dorothee hatte einen. »Warum suchen Sie sich nicht einen passenden Untermieter beziehungsweise eine Untermieterin? Ja, ich weiß, daß Sie darauf nicht angewiesen sind«, wehrte sie sofort ab, als Frau Antonie protestieren wollte, »doch dann wären Sie nicht mehr so allein, und es wäre auch jemand da, falls Ihnen mal etwas passieren sollte.«
»In diesem Fall könnte ich jederzeit meine Kinder erreichen«, erinnerte Frau Antonie.
»Na, die erreichen Sie mal, wenn Sie mit gebrochenem Fuß auf der Kellertreppe liegen!«
Insgeheim mußte sich Frau Antonie eingestehen, daß sie eine solche oder ähnliche Situation schon des öfteren in Gedanken durchgespielt hatte und immer zu dem Schluß gekommen war, daß es möglicherweise Stunden dauern könnte, bevor jemand sie finden würde. Falls es dann nicht schon sowieso zu spät wäre. »Ich telefoniere jeden Tag mit meiner Tochter.«
»Wie schön, daß Sie ein so gutes Verhältnis zu ihr haben«, sagte Dorothee freundlich und beendete das Thema. Die Saat war gelegt, ob sie aufgehen würde, blieb abzuwarten.
Am nächsten Morgen schon lernte sie Tinchen kennen. Während Frau Antonie neben dem Herd den Topf mit den Eiern überwachte – von diesen elektrischen Eierkochern hielt sie überhaupt nichts, bekanntlich waren Eier verschieden groß, brauchten also auch unterschiedliche Kochzeiten, die konnte so ein Gerät doch gar nicht wissen! – und Dorothee den Tisch deckte, öffnete sich plötzlich die Haustür. »Hallo, Mutsch, hoffentlich hast du noch nicht gefrühstückt!« klang es durch den Flur. »Ich war eben beim Bäcker. Die Croissants sind noch ganz warm!« Dann flog die Zimmertür auf, und eine schlanke Frau mit einer Tüte im Arm stand im Raum. Ende vierzig, schätzte Dorothee, die kastanienbraunen Haare natürlich getönt, aber fachmännisch gemacht, das konnte sie nun wirklich beurteilen, gutsitzender Hosenanzug, Markenartikel, bestimmt nicht billig, Wildlederslipper, dezentes Make-up. Das also war die Tochter Ernestine!
Umgekehrt fiel die Musterung nicht ganz so positiv aus: Was macht denn dieser Kleiderständer hier? fragte sich Tinchen im stillen, bevor sie zu dem Schluß kam, daß es sich bei der hageren Frau mit den kühlblickenden grauen Augen eigentlich nur um diese neue Bekannte von Toni handeln konnte, diese Klaus-Knesebeek oder wie immer sie auch heißen mochte. Hatte ihr denn noch niemand gesagt, daß blaugetönte Haare absolut out waren und man entweder zu seinen grauen stand oder sie färben ließ? Sie stellte sich ihre Mutter mit Blauschimmel auf dem Kopf vor und mußte sich das Lachen verbeißen. Einfach unmöglich!
»Guten Morgen«, sagte Tinchen, legte die Brötchentüte ab und reichte Dorothee die Hand. »Ich bin Tina Bender, die Tochter von Frau Pabst. Und Sie sind sicher …?«
»Frau Klaasen-Knittelbeek, ganz richtig«, sagte Frau Klaasen-Knittelbeek, während sie den schmalen Armreif neben Tinchens Uhr taxierte. Platin mit Brillis, sehr apart und sehr teuer, aber mit einem Juwelier als Bruder kann man sich so etwas ja leisten. »Ich freue mich, daß ich Sie auch endlich kennenlerne. Ihre Frau Mutter hat schon so viel von Ihnen erzählt.«
Die Frau Mutter betrat das Zimmer, in einer Hand die Kaffeekanne, in der anderen zwei Eierbecher der Serie
Hahn
und
Henne.
Die übrigen Geschirrteile waren im Laufe der Zeit den Weg alles Irdischen gegangen, woran Tinchen nicht ganz unbeteiligt gewesen war, nur die Eierbecher hatten überlebt, vermutlich deshalb, weil Frau Antonie schon vor Jahren, als die meisten Leute das Wort Cholesterin noch nicht mal kannten, das tägliche Frühstücksei als gesundheitsschädlich bezeichnet und erst gar nicht auf den Tisch gebracht hatte.
»Guten Morgen, Ernestine, so früh schon? Ich habe dich gar nicht kommen gehört. Ist denn etwas passiert?«
»Nein, Mutti, es ist nichts passiert, ich habe nur meinen Wagen zur Inspektion gebracht und auf dem Rückweg ein paar Brötchen geholt, weil ich dachte, wir könnten zusammen frühstücken. Daß du Besuch hast, habe ich natürlich nicht geahnt.«
Bevor sich Frau Antonie auf die landläufigen Höflichkeitsregeln besinnen konnte, ergriff Dorothee das Wort: »Wir haben uns schon bekanntgemacht, liebe Antonie, und was Sie mir über Ihre Tochter erzählt haben, ist wirklich nicht übertrieben gewesen.« Mit einem strahlenden Lächeln wandte sie sich an Tinchen. »Ich hoffe, Sie lassen sich durch mich nicht vertreiben und frühstücken trotzdem mit uns. Mir
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