Hotel Mama vorübergehend geschlossen
es werden gerade so hübsche Wohnungen gebaut mit allem Komfort und einem herrlichen Blick auf den Rhein. Meine Kinder raten mir ebenfalls zu.«
»Wahrscheinlich will eins von ihnen selber einziehen«, sagte Dorothee ein wenig neidisch. Wer in Oberkassel ein Haus besaß, und sei es nur ein kleines, der würde ein halbes Vermögen dafür bekommen und sich jede gewünschte Wohnung leisten können.
»Das ganz bestimmt nicht!« kam es etwas empört zurück. »Mein Sohn hat sich in Meerbusch so eine moderne doppelstöckige Dachterrassen-Wohnung gekauft, und Ernestine und ihr Mann besitzen schon lange ein Einfamilienhaus. Übrigens nur fünf Minuten von mir entfernt.«
Dorothee schwieg beeindruckt. Meerbusch lag zwar auch etwas außerhalb, gehörte jedoch zu den sehr guten Adressen, und was Antonie beschrieben hatte, übersetzte Dorothee in den ihr geläufigen Terminus: Penthouse-Wohnung im Maisonette-Stil. Nun ja, Juweliere gehörten niemals zu den unteren Einkommensgruppen, doch wie konnte sich der Redakteur einer simplen Tageszeitung ein Haus in Oberkassel leisten? »Verdient man denn bei der Presse so viel?« fragte sie neckisch. »Ich meine, wenn man nicht gerade der Verleger ist.«
Frau Antonie lächelte, als sie an Florians Tante Klärchen dachte, jene altjüngferliche Studienrätin in Tübingen, der im fünften Lebensjahrzehnt ein glücklicher Zufall den amerikanischen Korsettfabrikanten Donald McPherson über den Weg und gleich in ihre Arme geschickt hatte. Sie heiratete ihn, nannte sich fortan Claire, übersiedelte in die Staaten, brachte ihr Erspartes in die Firma ein, wurde Teilhaberin und kümmerte sich in erster Linie um die Finanzen. Als ihr Mann starb, verkaufte Klärchen den Betrieb und zog nach Florida. Da sie ihn um fast dreißig Jahre überlebte, hatte sie Zeit genug gehabt, das nicht unbeträchtliche Vermögen bis auf einen bescheidenen Rest aufzubrauchen, und diese zweihunderttausendundetwas Dollar hatte Florian auch noch mit seinem Bruder Fabian teilen müssen. Allerdings war der Wechselkurs seinerzeit wesentlich günstiger gewesen als heute, und so hatte das Geld als Grundstock für das hübsche Haus gereicht.
»Mein Schwiegersohn hatte eine Tante beerben können«, sagte Frau Antonie, nicht gewillt, Einzelheiten über Tante Klärchen zu erzählen, und Dorothee gab sich zufrieden. Die schienen ja alle ganz gut betucht zu sein.
Ein bißchen enttäuscht war sie dann aber doch, als das Taxi in eine stille Nebenstraße bog und schließlich vor einem weinumrankten Reihenhaus hielt. Diese Gegend sah nun wieder ein bißchen sehr nach Siedlungshäusern aus, von denen einige dringend einen neuen Anstrich gebraucht hätten, und in die Vorgärten gehörte eine Kolonne Landschaftsgärtner, um diesen Dschungel mal ein bißchen zu roden.
»Wo hab ich denn bloß wieder den Schlüssel?« jammerte Frau Antonie, nachdem sie das Taxi bezahlt und die Außenbeleuchtung des Hauses eingeschaltet hatte. »Eben habe ich sie noch klappern gehört.«
»Suchen Sie ganz in Ruhe, meine Liebe, wir haben ja genug Zeit.«
Endlich hatte Antonie den Schlüsselbund und auf Anhieb auch den richtigen Schlüssel gefunden. »Treten Sie ein, Dorothee, und fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.«
Dorothee trat ein und knallte als erstes gegen den schmiedeeisernen Schirmständer, den Karsten irgendwann seinen Eltern geschenkt hatte und seitdem nach jedem blauen Fleck, den er sich an diesem Hindernis holte, aufs neue verfluchte. »Haben Sie sich wehgetan?« fragte Frau Antonie besorgt. »Warten Sie lieber, bis ich den Lichtschalter gefunden habe.«
Sekunden später flammten zwei Wandlampen auf und beleuchteten den Flur sowie die Treppe nach oben. Dorothee war angenehm überrascht. Lindgrüne Tapete, hellgrauer Teppichboden, eingebaute Garderobe, dekoratives Grünzeug überall … richtig geschmackvoll und gar nicht das, was sie insgeheim befürchtet hatte, also eine Art Gelsenkirchener Barock, garniert mit Nippes und selbstgestickten Deckchen. Auch das Gästezimmer gefiel ihr und erst recht das gegenüberliegende weinrot gekachelte Bad mit Duschkabine und sogar Bidet.
»Natürlich haben wir im Laufe der Jahrzehnte viel Geld hier hineingesteckt und viele Einbauten vornehmen lassen«, erläuterte Frau Antonie, »das letztemal vor zwei Jahren, als das Bad renoviert worden ist. Deshalb glaube ich auch, daß sich das Haus ohne Schwierigkeiten verkaufen ließe.«
»Wollen Sie das denn wirklich tun?«
»Haben Sie einen besseren
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