Hotel Transylvania
Prachtstück von Nichte?«
»Auf der Tanzfläche. Herrje, ich wünsche mir, dass es nicht so voll wäre. Dann könnte ich sie Euch zeigen.«
»Beschreibt sie mir. Ich werde sehen, ob ich sie finden kann.«
La Comtesse stellte sich auf die Zehenspitzen und schaute in die tanzende Menge. »Sie trägt ein lavendelfarbenes Kleid aus venezianischer Seide über einem geblümten Unterrock nach italienischer Art. Ihr Rock ist mit silbernen Bändern gerafft, und sie trägt ein Halsband aus Granat und Diamanten. In ihren Ohren hängen Diamantentropfen. Wo steckt dieses Mädchen?« La Comtesse wedelte frustriert mit dem Fächer. Sie hatte ihre Nichte zeigen wollen, aber es war, als ob man auf eine Figur an einem Karussell zeige. »Dort!«, sagte sie schließlich. »Unter dem dritten Lüster von der Tür, bei le Vicomte de Bellefont.«
»Er ist der Mann im blauen Satin?«, fragte Saint-Germain zur Sicherheit.
»Ja.« La Comtesse gestattete sich ein Lächeln, und Saint-Germain erschien es, dass ihre Stimme wie aus weiter Ferne zu ihm sprach. »Ihr Name ist Madelaine Roxanne Bertrande de Montalia. Und gewiss leide ich an dem Vorurteil einer Tante, doch halte ich sie in der Tat für schön.«
Unter dem dritten Lüster von der Tür drehte sich die Nichte von la Comtesse d'Argenlac zum Tanze. Ihr gepudertes Haar war in einfachem Stil gelegt, wie es einer jungen Frau geziemte, die gerade in die Gesellschaft eintrat. Ihre schmalen Brauen wiesen die dunkle Farbe von Kaffee auf und betonten ihre lachenden veilchenfarbenen Augen. Obgleich sie etwas zu schlank war, so war ihre Haltung doch elegant, und als sie ihr Kinn zur Entgegnung auf eine Bemerkung von de Bellefont anhob, hatte sie etwas Königliches an sich.
Saint-Germain stieß langsam den Atem aus. »Sie ist die lieblichste junge Frau, die ich seit vielen, vielen Jahren gesehen habe.« Er sah ihr zu, wie sie am Ende des Tanzes zu einem Knicks niedersank. »Ich sage ihr einen großen Erfolg voraus, Claudia.«
Mit einem Lächeln in den Augen stritt La Comtesse dies ab. »Kommt. Lasst mich Euch einander vorstellen. Und dann dürft Ihr uns zum Nachtmahl führen. Ich bin sicher, dass Madelaine Hunger hat, denn es verschafft mir schon ungemeinen Appetit, auch nur beim Tanzen zuzusehen.« Noch während sie sprach, fädelte sie sich durch die Tänzer, die nunmehr die Fläche räumten. Saint-Germain folgte ihr und nickte gelegentlich grüßend.
»Ah, Madelaine«, sagte la Comtesse munter, als sie ihre Nichte erreichte. Sie widmete de Bellefont einen höflichen Knicks und wandte ihre Aufmerksamkeit erneut Madelaine zu. »Hier ist jemand, der dich gerne kennen lernen möchte. Ich habe ihn in meinen Briefen an dich erwähnt, jenen Mann, der uns allen Rätsel aufgibt. Saint-Germain, lasst mich Euch bitte meine Nichte Madelaine de Montalia Präsentieren.«
Er beugte sich über ihre Hand und berührte sie wie ein Federhauch mit den Lippen. »Entzückt«, sagte er leise und lächelte über die Röte, die sich aus ihrem Gesicht ausbreitete, als sie aus ihrem tiefen Knicks emporschwebte.
Aus einem auf den 6. Oktober 1743 datierten Brief, den Mme. Lucienne Cressie an ihre Schwester l'Abbesse Dominique de la Tristesse de les Anges schrieb:
... die Träume, von denen ich Dir berichtete, stellen sich immer noch ein, und ich kann sie nicht verhindern. Manchmal befürchte ich, dass ich sie nicht verhindern will. Ich habe gebetet, doch vergeblich. Ich habe sogar meinem Gatten davon erzählt, aber natürlich hielt er es für komisch und riet mir, ich solle mir einen Liebhaber nehmen, um die Gedanken an den Tod aus meinem Geist zu vertreiben. Doch ist es nicht der Tod, der mich quält, meine geliebte Dominique. Ich weiß nicht, was es ist, doch der Tod ist es nicht.
Auf Deinen Rat hin suchte ich meinen Beichtvater auf, und er sagte, dass ich kurz vor der Sünde stehe und Gott um Leitung anflehen solle, und versprach, dass auch er für mich beten werde. Auch wies er daraufhin, dass, wenn ich Kinder hätte, mein Geist nicht so verstört wäre. Ich schämte mich, ihm zu sagen, wie es um mich und meinen Gatten bestellt ist. Achille besteht darauf, dass seine Vorlieben so griechisch sind wie sein Name, und dass in Athen seine Sünden als Tugenden galten. Dennoch bin ich mir gewiss, dass er mich als Ehebrecherin bezeichnen würde, sollte ich ein Kind von einem anderen Mann bekommen. Also scheint es, als sollte ich keine Kinder haben und dass der gute Abbe mir vergeblich dazu
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