Hotel Transylvania
Fenstern auf sie fiel und ein hübsches Muster auf ihrem blauweiß gestreiften Morgenmantel aus Seide erzeugte. Auf ihrem ungepuderten Haar spielten dunkelgoldene Lichter. »Wenn es kein allzu großer Aufwand ist, hätte ich gerne von dem chinesischen Tee, den mir mein Vater mit auf die Reise gab.« Aus der Porzellanschüssel in der Mitte des Tisches holte sie einen Apfel und begann ihn mit einem kleinen scharfen Messer zu zerteilen.
»Natürlich.« Ohne sich umzudrehen, erteilte die Comtesse die Anweisungen für den Tee an einen Lakaien, der vor der Tür stand. »Nimm dir hiervon«, sagte sie zu Madelaine und reichte ihr einen Teller mit Obst gefülltem Gebäck über den Tisch. »Die Zitronenquarkfüllung kommt aus den Treibhäusern meines Gatten. Er hat gesagt, dass er seinen Ehrgeiz daran setzt, das ganze Jahr über Pfirsiche verfügen zu können.«
»Wo ist der Comte? Gestern Abend habe ich ihn nicht gesehen, obgleich er doch sagte, dass er sich zu uns gesellen werde.«
Ein kurzes Stirnrunzeln verdüsterte das Gesicht von Comtesse Claudia. »Er hielt sich bei Freunden auf. Er gibt sich gern dem Glücksspiel hin, meine Liebe. In der Tat ist dies seine einzige ständige Untugend, und beizeiten befürchte ich, dass ich vor Sorge noch sterben werde.« Sie nahm ihre Serviette auf. »Ach, es ist nichts. Ich habe meine Erbschaft und meine Besitztümer, die er nicht angreifen kann. Wenn er sich ruiniert, eh bien, dann werde ich ihn wohl aushalten ...« Sie seufzte und nahm einen Schluck von der heißen Schokolade, die neben ihrem Ellbogen stand.
»Dann seid Ihr nicht glücklich, Tante?« Madelaine wirkte wie vom Donner gerührt.
»Ich bin so glücklich, wie ich es sein kann, meine Liebe. In dieser Welt wünscht sich keine Frau von Verstand mehr als das. Man muss den Blick nicht allzu weit schweifen lassen, um diese Wahrheit zu erkennen. Du erinnerst dich an die Frau, mit der wir gestern Abend speisten?«
Madelaines Blick wurde sanft, als sie antwortete: »Madame Cressie? Sie sah so verhärmt und so traurig aus.«
»Sie ist krank gewesen«, sagte la Comtesse, als sei das nichts Bedeutendes. »Eines Tages wirst du das Pech haben, ihrem Gatten zu begegnen. Er gehört zu jenen Männern ... Ich will dich nicht schockieren, aber das ist etwas, das Dir zur Kenntnis gebracht werden muss. In dieser Welt gibt es Männer, die eine Abneigung gegen Frauen hegen ...«
Madelaine nickte eifrig. »Zu hause sagten die guten Schwestern, dass es sich mit den Heiligen so verhielt, und dass jene mit einer echten religiösen Berufung der Welt entflohen, damit sie nicht die Gluten des Fleisches ertragen mussten ...«
Ihre Tante unterbrach sie mit einer gewissen Erbitterung. »Ich spreche nicht von Priestern – obgleich, wie ich denke, es wohl jene gibt, die wie Achille Cressie ihr Leben führen würden, wenn sie die Gelegenheit hätten.« Sie schnalzte mit der Zunge und kehrte zum Thema zurück. »Diese Männer sind von weltlichem Gemüt, Madelaine, und sie verwenden einander wie Frauen, so dass sie der Vereinigung mit unserem Geschlecht nicht bedürfen. Oft handelt es sich bei ihnen um ansehnliche Männer von hohem Rang und großem Verdienst. Le Duc de la Mer-Herbeux ist einer dieser Männer, und ich bin sicher, dass er für Frauen nicht mehr Verwendung hat als Achille Cressie. Jedoch«, sagte sie mit einem leichten Erröten und einem traurigen Auflachen, »ist er natürlich freundlich, sehr freundlich. Ich kann mir keinen denken, dem ich eher vertrauen würde. Und jene Menschen, die ihn bezichtigen, nur um seines englischen Earls willen Frieden mit England schließen zu wollen, sind höchst ungerecht.« Sie schüttelte den Kopf. »Du wirst le Duc de la Mer-Herbeux in Kürze begegnen. Von seinen privaten Vorlieben abgesehen ist er Achille Cressie so unähnlich, wie ich jener schrecklichen spanischen Baronessa mit ihren sechzehn Schoßhündchen und ihrem Priestergefolge ähnele.« Wieder hielt sie inne und sagte dann mit großer Einsicht: »Tatsächlich bezweifle ich ungeachtet aller Gerüchte, dass le Duc de la Mer-Herbeux und Achille Cressie selbst in ihren privaten Vorlieben irgendwelche Ähnlichkeiten zueinander aufweisen.«
Madelaine blickte aus dem Fenster und sagte in die Luft hinein: »Ich dachte mir oft, liebste Tante, dass sogar unter wohl verehelichten Paaren große Verschiedenartigkeit besteht.«
La Comtesse nickte heftiger, als es ihr bewusst war. »Nun, die Ehe ist eine eigene Angelegenheit, nicht wahr? Ich weiß,
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