Hotzenwaldblues
den
Feuerwehrmann an, als er an ihm vorbeifuhr. Der grunzte missbilligend zurück,
gab sich aber geschlagen und kündigte über Funk die beiden Autos an, die die
Straße passieren durften. Dafür fuchtelte er wieder wichtig mit dem Arm, als er
einen weiteren Wagen auf sich zufahren sah. Den würde er wohl durch die
Weinreben schicken, und wenn es der Bürgermeister persönlich wäre.
* * *
Belledin empfand nicht nur die Tatsache, dass er der einzige Mann
auf der Beerdigung des toten Heilpraktikers gewesen war, sondern auch den
Umstand, dass offenbar kein Verwandter dem Toten die letzte Ehre erwiesen
hatte, als merkwürdig. Die Recherchen hatten nämlich ergeben, dass Thomas
Hartmann zwei Schwestern hatte und auch sein Vater noch lebte. Die Familie
wohnte zwar in Celle, aber für die Beerdigung eines nahen Verwandten sollte
diese Strecke doch nicht zu weit sein.
Belledin dachte an seine eigene Schwester. Ob sie wohl zu seiner
Beerdigung käme? Kolumbien war nicht Celle – aber Belledin war sich sicher,
dass sie sich von Bogotá aufmachen würde, wenn man ihn in der Erde versenkte.
Sie hatten zwar kein herzliches Verhältnis, sich aber den gegenseitigen
Grundrespekt bewahrt. Gleichzeitig machte ihm aber der Gedanke zu schaffen, ob
er selbst nach Bogotá reisen würde, um seine Schwester zu beerdigen. Belledin
kam zu dem Schluss, dass er es tun würde – so es der Dienstplan zuließe.
Biggi zupfte ihn wieder am Ärmel und riss ihn aus seinen Gedanken.
Sie deutete mit dem Kopf zu einer Bank am Rande des Kieswegs. Dort saß Silke
Brenn und schluchzte, ihre Schwester Margit war nirgendwo zu sehen. Die übrigen
Trauergäste hatten sich bereits auf den Weg gemacht. Die einen hatten zu
arbeiten, andere trafen sich noch im Wirtshaus Krone zum Leichenschmaus.
Belledin gab Biggi ein Zeichen, dass sie schon mal vorgehen sollte.
Sie gehorchte, reichte ihm allerdings noch ein frisches Päckchen
Papiertaschentücher.
Silke kauerte auf der Holzbank, die blonden Locken versteckten ihr
Gesicht. Sie hatte nicht wahrgenommen, dass Belledin zu ihr getreten war. Er
kannte Silke, jeder kannte sie. Immerhin war sie die schönste Weinkönigin
Ihringens, die man in den letzten zehn Jahren gekürt hatte. Ihr Konterfei
prangte an jeder Ortseinfahrt, und selbst die Nachbardörfer hatten eingesehen,
dass es in diesem Jahr sinnlos war, eine eigene Weinkönigin zu stellen. Silke
war ohne Konkurrenz. Nicht nur, weil sie mit ihren fünfundzwanzig Jahren eine
natürliche Schönheit war, sondern auch weil ihr Vater Herbert Brenn als einer
der größten Winzer im Umkreis galt. Obendrein sollte Ende September die Vermählung
zwischen Silke Brenn und Andreas Zimmerlin stattfinden. Und Andreas Zimmerlin
wiederum war der Erbe des anderen Big Players der Kaiserstühler Weinszene; eine
Elefantenhochzeit also. Um Belledin die Dimension dieser Heirat klarzumachen,
hatte Biggi gesagt, es wäre so, wie wenn die Tochter des
Aufsichtsratsvorsitzenden von Gazprom einen der Söhne des obersten Ölscheichs
aus Abu Dabi ehelichen würde. Belledin wusste nicht, was er von diesem
Vergleich halten sollte, aber für die örtliche Klatschpresse war die
bevorstehende Hochzeit sicherlich von höchstem Gehalt.
Er räusperte sich. Silke hob langsam den Kopf, schielte zwischen
ihren goldblonden Locken hindurch und zog noch einmal die Nase hoch. Belledin
riss das frische Päckchen auf und reichte ihr ein Taschentuch. Sie nahm es und
schnäuzte sich.
»Standen Sie sich sehr nah?«
Der Lockenkopf nickte, dann begann der ganze Körper zu beben, und
das Schluchzen setzte von Neuem ein.
»Er war ihr Heilpraktiker! Und er hat ihr sehr geholfen«, antwortete
eine scharfe Stimme hinter Belledin. Er drehte sich um und blickte in Margits
grüne Augen. Wenn man es wusste, konnte man erkennen, dass Silke und sie
Schwestern waren, aber nur dann. Margit war herber als ihre fünfzehn Jahre
jüngere Schwester, auf ihrem Kopf wucherte ein wilder roter Schopf, der bereits
von einigen grauen Strähnen durchzogen war. Auf ihrer spitzen Nase tanzten
wilde Sommersprossen, die Haut war von der täglichen Arbeit im Weinberg
gezeichnet. Trotz des energischen Kinns mit dem männlichen Grübchen ließen ihre
vollen Lippen eine unerwartete Sinnlichkeit ahnen.
Belledin war von Margit schon immer fasziniert gewesen. Früher
hatten sie sie die rote Zora gerufen, nach der Heldin einer TV -Serie der späten siebziger Jahre.
Tatsächlich hatte auch Margit eine Bande angeführt, mit der sie durch
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