Hotzenwaldblues
Katastrophen des
Jahrhundertregens zu knipsen. Ein fülliger Feuerwehrmann stapfte durch die
Lachen, das Wasser floh unter dem schweren Tritt seiner Gummistiefel in alle
Richtungen, wusste aber nicht, wohin, und schwappte wieder zurück. Der
Feuerwehrmann hob die Hand über seinen Helm und versperrte Killian mit diesem
Zeichen die Durchfahrt.
Killian bremste und kurbelte das Fenster herunter.
»Do geht’s nit durch.« Um seine Ansage zu untermauern, schüttelte
der Feuerwehrmann seinen behelmten Kopf mehrere Male so heftig, dass auch sein
wuchtiges Doppelkinn in Bewegung geriet und Killian schon befürchtete, die
Flugkraft des Kinns würde dem armen Mann am Ende das Genick brechen.
»Ich muss nach Bötzingen, wie komme ich da hin?«, fragte er.
Die Masse des Doppelkinns beruhigte sich, dafür begannen nun die
Hirnzellen des Feuerwehrmanns zu glühen. Er kratzte sich mehrmals am Helm,
schnaufte tief durch und begann den Kopf hin- und herzuwiegen, als beginne er
gleich einen indischen Volkstanz. Dann öffnete er endlich den Mund, setzte zum
Sprechen an, aber sein Funkgerät unterbrach ihn. Per Handzeichen bat er
Killian, sich noch einen Moment zu gedulden, nestelte an seinem Gürtel, an dem
das Funkgerät befestigt war, und lauschte, was die Zentrale ihm zu melden
hatte.
Killian beobachtete die Szene mittlerweile durch seine Rolleiflex.
Diesen Moment durfte er sich nicht entgehen lassen: der füllige Retter des
Infernos inmitten der überfluteten Dorfgasse. In der einen Hand ein
antiquiertes Funkgerät, die andere wild fuchtelnd zum Himmel gestreckt – als ob
er mit dem Herrn des Regens selbst verhandeln würde. Killian versuchte die
Einstellung während der einzelnen Schüsse nicht zu verändern und die Kamera so
ruhig wie möglich zu halten. Ein Stativ wäre jetzt angebracht gewesen. Er würde
aus den Fotos, die er von seinem Helden schoss, gerne ein Daumenkino machen, eine
Slapstick-Doku zum Anfassen. Er lachte in sich hinein, während er die Bilder
schoss.
Ein lautes Hupen schreckte ihn aus dem Sucher seiner Kamera. Hinter
ihm hatte es jemand besonders eilig. Ein schwarzer Jeep Cherokee Overland
rückte Killians altem Defender auf die Pelle. Killian sah in den Rückspiegel,
aber durch die getönte Scheibe konnte er nicht erkennen, wer in dem Wagen saß.
Der Feuerwehrmann beendete seinen Funkverkehr und schielte grimmig
nach dem Hupgeräusch. Als er jedoch erkannte, dass es nicht Killian war, der
drängelte, sondern der Cherokee dahinter, wandelten sich Miene und
Körperhaltung des wichtigsten Menschen der Bruckmühlenstraße schlagartig. So
gut es das Hochwasser zuließ, sprintete er an Killians Wagen vorbei, um atemlos
neben dem Cherokee zu halten.
Killian beobachtete im Außenspiegel, wie die Fensterscheibe der
Fahrerseite nach unten glitt. Der Winkel war allerdings zu spitz, sodass er
auch jetzt nicht zu erkennen vermochte, wer den Wagen fuhr. Schüttelte der
General aller Feuerwehrleute bei ihm noch kategorisch sein Haupt, begann er nun
devot zu nicken. Wobei auch hier das Doppelkinn wieder seinen eigenen Gesetzen
folgte. Durch den Kragen der Montur hatte das Fettpolster keine Möglichkeit
auszuweichen und stülpte sich mit jedem Nicken seines Besitzers nach oben,
sodass der Mund des Feuerwehrmanns immer wieder dahinter verschwand. Killian
musste erneut lachen, diesmal war es ihm aber nicht möglich, die Rolleiflex
anzusetzen. Dazu war sie nicht handlich und schnell genug.
Der Feuerwehrmann eilte zu Killian und schnaufte: »Fahren Sie bitte
rechts ran, damit der Wagen hinter Ihnen vorbeikann.«
Es wurde offiziell, dachte Killian, der Mann bemühte sich,
Hochdeutsch zu sprechen. »Ich denke, die Straße ist gesperrt? Wie kann der
Wagen hinter mir dann durchfahren?« Killian stellte sich dumm.
Der Feuerwehrmann schnaubte, rang nach Worten, offenbar fiel ihm
aber kein passendes Argument ein. Deshalb begann er zu brüllen: »Fahre Sie ran
oder Sie kriege ä Anzeige wege Behinderung von …!« Den Rest verstand Killian
nicht mehr, da der Feuerwehrmann selbst nicht richtig wusste, wie der Terminus
tatsächlich lautete. Killian tat dem leidenden Mann den Gefallen und fuhr zur
Seite, um den Cherokee vorbeizulassen. Der Feuerwehrmann lächelte erleichtert
und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Killian dachte aber gar nicht daran, am Straßenrand stehen zu
bleiben, sondern hängte sich direkt an die Stoßstange des Cherokee.
»Wo ein Auto durchkommt, schaffen es auch zwei«, grinste er
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