House of God
es?« sagte ich überrascht.
»Sicher. Flittchen und Austern und alles, erinnerst du dich? Ich kenne dich ziemlich gut. Es ist schon in Ordnung, Roy, solange es für beide gilt.«
»Ja? Bist du sicher?«
»Ja«, sagte sie, und dann sah sie mir gerade ins Gesicht und fuhr fort: »So, wie das
Internship
dich kaputt macht, kann es mit uns nicht einfach weitergehen wie bisher. Seit Monaten ist das sonnenklar. Wir werden diese Liebe aber am Leben halten, Roy, ich jedenfalls werde dafür kämpfen. Denk daran. Trotzdem ist deine Freiheit auch meine Freiheit. OK , Schatz?«
Ich knirschte meine Eifersucht hinunter und sagte: »Ja, Schatz … ja, mein Liebes«, und umarmte und küßte sie. Und mit Tränen in den Augen fuhr ich fort: »Ich muß nur noch eine Woche in die Notaufnahme, aber ich mache mir echte Sorgen. Vielleicht schaffe ich es nicht. Wenn eines Nachts mal niemand sonst da ist und mich einer anmacht, vielleicht drehe ich durch und schlag den Scheißkerl zusammen.«
»Ich muß dich warnen, Roy. In der Psychiatrie ist die kommende Woche die schlimmste. Die zwischen Weihnachten und Neujahr. Das ist die Todeswoche. Sei vorsichtig und bereite dich vor. Es kann schrecklich werden.«
»Ein Holocaust.«
»Genau. Brutal.«
»Wie soll ich das überleben?«
»Wie? Vielleicht wie in den Lagern. Überlebe, um Zeugnis zu geben, um von denen zu berichten, die nicht überlebt haben.«
Später, nachdem die Leidenschaft der Zärtlichkeit gewichen war, fing ich an, von Gilheeny, Quick und Cohen zu erzählen. Ich lachte, Berry lachte, und bald war das Bett, das Zimmer, die ganze Welt ein riesiger Mund mit Zunge und Zähnen in ellipsoidem Gelächter, und Berry sagte:
»Sie hören sich unglaublich komisch an. Ich meine, sprechen sie wirklich so? Wie Lehrbücher? Wie kommt das?«
»Sie sagen, weil sie seit zwanzig Jahren in der Notaufnahme des
House of God
herumhängen und mit so klugen Typen wie mir reden. Sie haben in den letzten zwanzig Jahren die Bildung jedes
Terns
in sich aufgesogen.«
»Du hast sie gern, stimmt’s?«
»Ja, sie sind großartig. Sie halten mich aufrecht.«
»Und dieser Cohen verwirrt und fasziniert dich gleichzeitig.«
»Ja. Weißt du, was er mir erzählt hat? Er faßt nie einen Patienten an. Verdammt, wenn ich sie nicht anzufassen brauchte, würde ich ihnen auch gern zuhören.«
»Du meinst, er bläst Gomers nicht mit dem Stethoskop ins Ohr?«
»Er hat gar kein Stethoskop. Er trägt Jeans zur Arbeit.«
»Und wie verständigt er sich mit den Gomers?«
»Tut er nicht.«
»Tut er nicht?« fragte Berry.
»Nein, verdammt, er tut es nicht. Vielleicht sollte ich Seelenklempner werden!«
Darauf lachten wir wieder los.
Resident
der Psychiatrie, ein Psychiater? Keine Gomers, keine vergammelnden Punzen, kein Scheidenjucken, keine juckenden, fleckigen Penisse, keine Geschwüre an den Beinen, keine rektalen Untersuchungen, kaum Nachtdienst. Nur das verdammte, dämliche Gequatsche. Das war es, was die meisten brauchten, alle die, die versuchten, aus den Ärzten herauszusaugen, was Ärzte nicht geben konnten. Ich könnte mein Stethoskop wegwerfen und zur Arbeit Jeans tragen.
Wir zogen uns an, um zur Weihnachtsparty zum Leggo zu gehen. Berry trug ein enges Schwarzes und ich, weil ich um Mitternacht in die Notaufnahme mußte, die weiße Krankenhauskleidung. Berry freute sich darauf, den Fisch und den Leggo kennenzulernen und sagte:
»Ich bin gespannt, wieviel von dem, was du mir erzählt hast, Übertragung ist.«
»Was ist Übertragung?«
»Die Verformung der realen Beziehung durch unbewußte Kräfte. Vielleicht haßt du den Fisch und den Leggo, weil sie dich an deinen Vater erinnern.«
»Ich liebe meinen Vater.«
»Wie steht es mit deiner Mutter?«
»Der Fisch und der Leggo sollen mich an eine energische Frau erinnern, die koscher ißt?«
Die Party fand beim Leggo zu Hause statt, draußen in einem Vorort. Eine breite, runde Einfahrt führte zu der stattlichen Villa. Im Urin steckt eben Geld. In der Diele wurden wir vom Leggo begrüßt, dessen Augen sofort zu meinem Namensschild und zu Berrys Busen wanderten. Als ich ›Hallo, Sir‹ sagte, sah der geile, kleine Mann verwirrt auf, und ich wußte, daß er sich zu erinnern versuchte, ob ich beim Militär gewesen war oder nicht. In der Stunde, bevor ich zur Notaufnahme aufbrechen mußte, beschloß ich, so viel Champagner zu trinken, wie ich konnte, und stand folglich schon sprudelnd und beschickert da, als Chuck kam. Er trug seine schmutzige weiße
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