House of God
Rücksitz saß und sagte:
»Dickie, das war Money City.«
»Sicher. Selbst im Dickdarm der Nichtstars kann man ein Vermögen finden.«
Nach der Zehn-Uhr-Mahlzeit ging ich zu Molly in den sechsten Stock. Sie war wütend auf mich, weil ich vergessen hatte, daß Valentinstag war und ihr kein Geschenk mitgebracht hatte. Sie schrie mich an, und ich fühlte mich schuldig, weil ich sie mochte und sogar von ihr träumte, was bedeuten mußte, daß ich sie irgendwie liebte. Und ich liebte es wirklich, sie zu lieben, weil sie immer noch, jedes verdammte Mal, stöhnte wie eine feuchte Mesopotamierin. Theoretisch interessierte sie mich noch genauso wie früher. Ich sah sie immer noch als kurzberockte Majorette vom St.-Mesopotamia-Gymnasium, die ihre braunen Knie erst zur einen, dann zur anderen Straßenseite warf und den längsten Tambourstab der Band zwischen diesen langen Schenkeln masturbierte und bei den senilen Legionären am Straßenrand reihenweise Herzinfarkte auslöste. Aber ich war nach Gomer-City katapultiert worden, und mein sexueller Elan war gebrochen. Ich wußte, daß ich hauptsächlich mit ihr bumste, um das Leben zu bejahen, und der unangenehme Syllogismus überfiel mich, ob ich jetzt, wo ich sie nicht mehr so oft bumste, etwa aufgehört hatte, das Leben zu bejahen?
Ich hörte sie sagen, ich sei langweilig und benähme mich wie ein Dreißigjähriger. Und ich spürte, daß ich das wohl auch war, denn trotz meines Verlangens, wenn ich erst mal bei ihr war, und meiner Eifersucht, es könnte ein anderer die goldenen Stollen tragen und in ihrem heißen Öl und Myrrhe baden, wenn ich nicht bei ihr war, bedurfte es jedesmal einer großen Anstrengung, in den schneidenden Wind und die beißende Kälte hinauszugehen, um sie zu besuchen. Mir wurde warm, und ich fand sie so sexy und liebenswert, und ich griff nach ihr und legte beide Hände um ihre Brüste, die, von der hübschen Schwesterntracht eng umkräuselt, aufs reizendste hochgeschoben wurden. Ich dachte an ihr blondes Schamhaar und wie ich damit gespielt hatte und meinen Kopf hineingekuschelt hatte. Ich zog sie an mich und küßte sie und erinnerte mich an die ausladenden, kreisenden Bewegungen ihrer Hüften und ihrer Lippen, und wir wurden genauso erregt wie früher im Bett. Ich fragte mich, was aus dem Teil von mir geworden war, der zu allen Anstrengung bereit war, und nahm mir vor, diese Nacht mit ihr zu schlafen, aber sie entzog sich mir und bat mich, ihr einen Gefallen zu tun, und mir einen Patienten mit agonaler Atmung anzusehen.
»Agonale Atmung bedeutet Tod. Rechnet ihr damit, daß er stirbt?«
»Das ist es ja: Ich bin nicht sicher. Er hat ein Multiples Myelom im Endstadium, ist im Nierenversagen und seit Wochen im Koma, aber Dr. Putzel hat es der Familie noch nicht gesagt, und es wird immer noch über die Fortsetzung seiner Dialyse gestritten und darüber, wann er wohl sterben soll. Es ist alles ein einziges Durcheinander.«
Ich sah ihn mir an. Es war schrecklich. Ein junger Mann, grau und sterbend, erfüllte das Zimmer mit seinem schalen Ammoniakgeruch. Sein menschliches Atemzentrum war tot, und er atmete phylogenetisch wie ein gestrandeter Fisch. Ich ging zu Molly zurück und sagte:
»In fünfzehn Minuten wird er tot sein. Hat er Schmerzen?«
»Nein. Der Kleine hat ihm die ganze Nacht über Morphium gegeben.«
»Gut.« Von Zärtlichkeit überwältigt, denn wir beide waren jung und lagen nicht im Sterben, würden es aber eines Tages tun, wenn wir Glück hatten, bis zu den Kiemen mit Morphium vollgepumpt. Ich sagte: »Zieh den Vorhang zu, Liebes, und setz dich zu mir. Laß uns reden.«
Das
House of God
fand es schwer, einen jungen Mann ohne Schmerzen und in Frieden sterben zu lassen. Obwohl Putzel und der Kleine übereingekommen waren, den Mann mit agonaler Atmung in dieser Nacht sterben zu lassen, tauchte prompt sein Nierenspezialist auf, ein Schlecker namens Mickey, der im College ein Football-Star gewesen war. Er sah sich den agonalen Mann an und zitierte den Kleinen
stat
zum Krankenbett. Mickey hatte Schaum vor dem Mund und war fuchsteufelswild, daß sein »Fall« sterben sollte. Ich erwähnte den Knochenkrebs im Endstadium, und Mickey sagte:
»Ja, aber wir haben einen Achttausend-Dollar-Dialyse-Shunt in seinem Arm gelegt, und alle drei Tage bringt das Dialyse-Team seine Blutwerte wieder perfekt auf die Reihe.«
Ich wußte, was für ein Gemetzel das geben würde und ging. Der Kleine kam schnaufend aus dem Fahrstuhl und rannte den langen
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