House of God
meine Liebe zu ihr in diesem vernichtenden Jahr gewachsen, zu meiner hingebungsvollen, sorgenden, klarsichtigen, sanften Berry.
»Ich liebe dich«, sagte ich. »Ich habe diesen Alptraum überlebt, weil du mir beigestanden hast.«
»Ja, zum Teil. Und du hast recht, dieses
Internship
war wie ein Traum-Thema, wie die übermächtigen Alpträume der Kindheit: Aggression, Angst vor Vergeltung, und dann die Auflösung, bei der du nicht gewinnst, sondern lebst. Alles nach dem Ödipus-Thema: Mutter, Vater, Kind.«
… Ich hoffe, du schließt gut ab und freust dich, daß diese Erfahrung nun hinter dir liegt. Konnte deine Behauptung nicht verstehen, daß Du jetzt mit allen medizinischen Problemen fertig wirst; es gibt doch noch so viel zu wissen. Bin sehr besorgt über die weltweite wirtschaftliche Situation, ich meine, die Unfähigkeit der Welt, den Verstand zu benutzen, um Inflation und Finanzkrise zu meistern, und es lohnt sich nicht einmal, Geld auf der Bank zu haben. Ich weiß nicht, was Mutter Dir erzählt hat, aber ich weiß, es war etwas Grundsätzliches und Richtiges. Ich weiß, Du kümmerst Dich um uns wie ein Sohn und daß sich dies nie ändern wird. Entfernung und Umstände haben uns daran gehindert, in näherem Kontakt zu bleiben, und das ist unvermeidlich in dieser Zeit. Würde gern mit meinem Sohn Nummer eins wieder Golf spielen, aber das ist nur eine Hoffnung. Mom hat einen so kurzen, kontrollierten Schlag, und das ist vielleicht ein Anblick. Meine Leidenschaft für das Spiel ist grenzenlos, und es macht mir Spaß …
24
Desillusioniert, wie wir waren, ohne jede Lust, als
House Residents
weiterzuarbeiten, aber auch ohne zu wissen, was wir sonst machen sollten, brauchten wir Hilfe. Wir wandten uns an den Dicken. Beim Zehn-Uhr-Essen fragten wir ihn, was wir tun sollten.
»Wie meint ihr das?«
»Welche Fachrichtung wir am ersten Juli einschlagen sollen.«
»Macht doch, was man heute überall macht«, sagte Dickie, »macht ein Kolloquium. Das klappt immer.«
»Worüber?« fragte Eddie, dessen Augen von den Beruhigungsmitteln ein wenig stumpf waren.
Ȇber
Wie wähle ich meine Fachrichtung,
was sonst?«
»Wer zum Teufel soll das leiten?« fragte der Kleine.
»Wer?« fragte Dickie grinsend. »Ich natürlich. Der Star des Großen Darmangriffs auf die Stars.«
Es sprach sich schnell herum. Zu unserem Kolloquium erschienen
Interns
und BMS von überall aus dem
House of God.
Selbst Gilheeny und Quick waren da.
»Das Konzept unserer medizinischen Ausbildung steht auf dem Kopf«, begann der Dicke in dem überfüllten Raum. »Zu dem Zeitpunkt, an dem uns klar wird, daß wir keine Fernsehärzte werden, die vollbusige Schönheiten ausziehen, sondern Ärzte des
House of God,
die Gomers ausräumen, haben wir schon zu viel investiert, um aufzuhören, und stehen da wie ihr armen Schweine jetzt: Wir sitzen fest. Die Ausbildung sollte anders herum aufgezogen werden: Am ersten Tag ihres Studiums sollten die kotzenden BMS ins
House of God
gebracht und mit ihren Nasen auf Olive O. gestoßen werden. Potentielle Chirurgen würden durch ihre Höcker abgeschreckt, potentielle Superinternisten durch ihre Laborwerte, mit denen sie eigentlich gar nicht leben dürfte, und dadurch, daß es weder möglich ist, sie zu heilen, noch sie sterben zu lassen. Selbst potentielle Gynäkologen sollten einen Blick auf ihr zukünftiges Fachgebiet werfen und rechtzeitig in die Zahnmedizin überwechseln. Und dann, und wirklich erst dann, sollten die, deren Nerven und Mägen noch stark genug sind, ihr vorklinisches Jahr beginnen.«
Wie erwartet, war er brillant. Aber was hatten wir jetzt davon?
»Aber was habt
ihr
jetzt davon? Ihr habt bereits investiert und sitzt also in der Falle. Richtig? Nun, es gibt viele verschiedene Fachgebiete zur Auswahl. Die meisten fordern den gleichen engen Kontakt mit den Patienten, den ihr dieses Jahr über gehabt habt: Anfassen, gequält werden und von den Nachtdiensten fast umgebracht werden, das sind die PB , Patienten-Betreuung-Fachrichtungen, die werden wir heute nicht besprechen. Die Masochisten mögen also gehen.«
Niemand ging.
»Ich selbst werde eine PB -Fachrichtung einschlagen. Gastroenterologie. Ich habe meine Gründe. Ich bin ein ganz besonderer Fall. Da, wo ich hingehen will, ist Gastroenterologie das Beste für mich. Ein seltenes Geschenk, eh? Richtig. Aber es gibt sechs KPB , Keine-Patienten-Betreuung-Fachrichtungen, nur sechs: Radiologie, Anästhesie, Patho, Derma, Augen und
Weitere Kostenlose Bücher