House of God
den Fisch und über den Leggo und viele andere Schlecker: unglaubliches Lehrbuchwissen, aber kein gesunder Menschenverstand. Sie glaubten alle, Krankheit sei ein haariges, wildes Monster, das in saubere medizinische Käfige aus Differentialdiagnose und Behandlung eingesperrt werden muß. Nur ein bißchen übermenschliche Anstrengung, und alles würde wieder gut werden. Jo widmete ihr ganzes Leben dieser Anstrengung und hatte so für alles andere nur wenig Kraft übrig. Ihr Leben sei die Medizin, sagte Dickie.
»Es ist wirklich traurig, und jeder weiß es. Seit Jahren hat Jo sich auf diesen Augenblick,
Resident
einer Station zu werden, vorbereitet. Nun ist er da, und natürlich geht alles in die Hosen. Sie braucht diese Patienten so sehr, um die Leere in ihrem Leben auszufüllen, daß sie auch sonntags und in ihren freien Nächten herkommt. Sie fühlt sich unnütz, außer sie stellt sich vor, ihre
Interns
oder ihre Patienten brauchten sie. Leider ist das aber nicht der Fall, weil sie so ein
klutz
ist, wenn es um praktische Medizin und menschliche Kontakte geht. Die wichtigste Behandlung für Anna O. wäre, ihre verlorene Brille wiederzufinden. Jo sollte in die Forschung gehen. Aber sie weiß, sobald sie das täte, würde sich bestätigen, was alle wissen: Sie kann nicht mit Menschen umgehen.«
Ich mußte an Berry denken und sagte: »Sie hören sich an wie ein Chauvinist.«
»Ich?« fragte Dickie ehrlich überrascht. »Wieso?«
»Sie sagen, Frauen wie Jo sind lausige Ärzte, weil sie Frauen sind.«
»Nein. Ich sage, Frauen wie Jo sind lausige Menschen, weil sie Ärzte sind, genau wie viele Männer. Dieser Beruf ist eine Krankheit. Egal welchen Geschlechts wir sind, wir können sie alle kriegen, jeder von uns. Und eins ist sonnenklar, Jo ist davon befallen. Schlimm. Sie sollten mal ihre Wohnung sehen. Die sieht aus, als wohnte da niemand. Seit über einem Jahr ist sie jetzt hier und hat ihre Stereoanlage noch immer nicht ausgepackt.«
Wir saßen im Schatten von Jos erkranktem Leben, und wir kauten daran, bis Dickie schließlich wieder strahlte und sagte:
»He, hab ich Ihnen eigentlich schon von meinem Traum erzählt, der Erfindung?«
»Nein.«
»Dr. Jung’s Analspiegel: Die Große Erfindung der Amerikanischen Medizin.«
»Dr. Jung’s Analspiegel? Was, zum Teufel, ist das?«
»Erinnern Sie sich daran, wie man Ihnen im Gastroenterologie-Kurs sagte, Sie sollten mit Hilfe eines kleinen Spiegels den eigenen Anus untersuchen?«
»Ja.«
»Konnten Sie das?«
»Nein.«
»Natürlich nicht. Es ist unmöglich. Aber nicht mit Dr. Jung’s. Jeder kann in der Behaglichkeit des eigenen Heims seinen ureigenen Anus untersuchen.«
»Wie, zum Teufel, soll das gehen?« fragte ich, auf den Scherz eingehend.
Er zeigte es mir. Auf einer Serviette zeichnete er die komplexe und ausgeklügelte Kombination von zwei reflektierenden Spiegeln und einer Sammellinse, alles von einem verstellbaren Gestänge aus rostfreiem Stahl zusammengehalten. Er lenkte die Bahn des Lichts vom Anus zu den Augen und zurück, spaltete die Strahlen in farbenfrohe Regenbogen und phantastische Spektren, die er mit den verschiedensten komplexen Gleichungen und Zeichnungen ausarbeitete. Schließlich fragte er:
»Wissen Sie, wie viele Amerikaner jeden Tag schmerzhafte Darmkrämpfe und Blut an ihrem Toilettenpapier oder in der Schüssel haben? Millionen.«
»Warum nur Amerikaner?« scherzte ich. »Warum nicht gleich die Welt?«
»Genau. Sie brauchen es nur hochzurechnen. Wenn es Millionen in Amerika sind, sind es Milliarden in der ganzen Welt. Der Anus macht fast alle Menschen neugierig. Jeder würde ihn gern sehen, aber niemand kann es. Wie das finstere Afrika, bevor die Missionare kamen. Der Kongo des Körpers.«
Bei der Ahnung, dies könnte am Ende doch kein Scherz sein, kribbelte es mir im Nacken, und ich sagte: »Sie machen Witze.«
Der Dicke gab keine Antwort.
»Das ist die lächerlichste Idee, von der ich je gehört habe.«
»Ist es nicht. Und außerdem sagt man das immer über große Erfindungen. Das ist wie diese Vaginalspiegel der Gynäkologen. Übrigens kann man den Analspiegel so einstellen, daß man auch da reinsehen kann. Frauen benutzen den Vaginalspiegel, um ihre Vagina kennenzulernen. Dies ist ein Gerät für beide Geschlechter: LERNEN SIE IHR ARSCHLOCH KENNEN .« Mit ausgestreckten Händen, als läse er einen Autoaufkleber oder einen Werbeslogan, sagte Dickie:
» ARSCHLÖCHER SIND SCHÖN . BEFREIT DIE ARSCHLÖCHER . In
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