House of God
Potts nicht viel und ging durch die Hölle. Er war ein gebranntes Kind, weil er dem Dicken nichts über die Leberwerte des Gelben gesagt hatte, und entsprechend schwer fiel es ihm, irgendwelche Daten vor Jo zu verbergen. Sie hatte immer mit Potts zusammen Dienst, und so war jede Nacht für ihn genauso schlimm wie der Tag. Jo nörgelte ständig an ihm herum, er solle »die Katze füttern«, wie sie es nannte, immer alles für alle fünfundfünfzig Patienten tun. Selbst wenn er versucht hätte, bei dem einen oder anderen Gomer nichts zu tun, hätte Potts das nicht verbergen können, da Jo in ihrer Unfähigkeit, irgendjemandem zu trauen, mehr oder weniger Potts Rolle als
Intern
übernahm, praktisch seine Arbeit für ihn tat. Wie ein übereifriger BMS , der eine Eins zu bekommen versucht, blieb Jo die ganze Nacht auf und schrieb obskure, mit Verweisen gespickte Abhandlungen über »faszinierende Fälle« in die Krankenblätter. Jeder Piep und jeder Aufschrei, jede Frage einer Schwester, die von den öden Kachelwänden widerhallten, gaben Jo das Gefühl, wirklich zu sein und gebraucht zu werden, während sie sich außerhalb des
House of God
unvollständig und unnütz vorkam.
Potts war in einem miserabelen Zustand. Dank Jos aggressiver Behandlung der Gomers, ging es ihnen immer schlechter, und sie konnten nicht abgeschoben werden. Die sterbenden Jungen brauchten länger, um zu sterben, und Potts Patientenliste wurde immer umfangreicher. Bald mußte er von den fünfundfünfzig Patienten fünfundzwanzig selbst betreuen. Da Jo ihm ständig neue Arbeit aufdrückte, konnte er in den Nächten, in denen er Dienst hatte, überhaupt nicht schlafen, und am Tage mußte er härter und länger arbeiten, um auf dem Laufenden zu bleiben. Chuck und ich hatten oft dieselbe Nacht dienstfrei und wurden immer engere Freunde. Potts konnte nie etwas mit uns außerhalb des
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unternehmen und wurde immer stiller und in sich gekehrt. Seine Frau, angeregt von der Folter ihres
Internship
als Chirurgin im Mans Best Hospital, wo sie fast jede zweite Nacht Dienst hatte, war praktisch aus seinem Leben verschwunden. Wir sahen, wie Potts versank, und je tiefer er sank, desto weniger konnten wir ihn erreichen. Selbst sein Hund fing an, trübsinnig zu werden.
Während eines Gewitters im späten August schließlich begann der Gelbe zu schreien, und nach Potts Gesichtsausdruck zu urteilen, war es seine eigene Leber, die da vor Schmerz brüllte. Zufällig hatte sich ein weiterer Patient mit einem Leberleiden bei Potts vorgestellt. Lazarus war ein Nachtwächter mittleren Alters, der die schlechte Idee und das gute Geschick gehabt hatte, sein Leben lang Nachtarbeit zu machen, was ihm erlaubt hatte, herumzusitzen und seine Leber mit billigem Fusel zugrundezurichten. Lazarus’ Lebererkrankung war alles andere als nobel, es war die Standard-Variante einer Zirrhose, wie man sie an jeder Straßenecke der Welt an irgendeiner Flasche hängen sieht. Er würde sterben und versuchte vehement, dies zu beschleunigen. Jo und Potts standen ihm dabei im Weg. Sie unternahmen heldenhafte Anstrengungen, die bald selbst im
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zur Legende wurden. Von Zeit zu Zeit versuchten Chuck und ich, Potts ein bißchen zu trösten, was den Zustand von Lazarus betraf. Wie schrecklich es sei, daß er eine Zirrhose hätte und sterben würde.
»Ja«, sagte Potts, »seine verdammte Leber macht mich völlig fertig.«
»Warum läßt du ihn nicht einfach sterben?« fragte ich.
Jo sagt, er kann es schaffen.«
»Was schaffen, Mann, sich ’ne neue Leber wachsen lassen?« fragte Chuck.
»Jo sagt, ich müßte das volle Programm durchziehen, alles für ihn tun.«
»Willst du das denn?« fragte ich
»Nein. Es gibt keine Heilung für Zirrhose, und außerdem, ich sage euch was, Lazarus hat, als er das letzte Mal bei Bewußtsein war, zu mir gesagt, daß er lieber tot sein möchte. Er hat schon solche Höllenqualen ausstehen müssen, daß er mich anflehte, ihn sterben zu lassen. Diese letzte Varizenblutung, als er fast in seinem eigenen Blut ertrunken wäre, hat ihn zu Tode erschreckt. Ich würde ihn ja gern einfach sterben lassen, aber ich fürchte mich, Jo das zu sagen.«
»Mann, weißt du denn nicht mehr? Sie will unsere Klagen hören.«
»Richtig«, sagte Potts, »es hieß, offen heraus mit allen Klagen. Ich werde ihr sagen, daß ich ihn nicht länger am Leben erhalten will.«
Ich rechnete damit, daß Jo auf den Gelben anspielen würde und schlug deshalb vor: »Sag ihr
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